Der Kanton Bern hat den Hafturlaub und Besuche für Gefängnisinsassen vorläufig untersagt, damit das Coronavirus nicht noch weiter verbreitet wird. Auch andere Kantone haben bereits diesbezüglich Massnahmen ergriffen. Benjamin Brägger ist Strafvollzugsexperte. Er hat die Übersicht über die Anstalten in der Nordwest- und der Innerschweiz. Für die Gefangenen seien diese Massnahmen folgenschwer, sagt er.
SRF News: Wie drastisch ist es, wenn man die Besuche einschränkt und den Freigang verbietet?
Benjamin Brägger: Das ist für die Gefangenen sehr einschneidend. Es trifft ihre Kontakte nach aussen, und die sind wichtig.
Wie sind die Besuche nun genau geregelt?
Die Besuche sind nicht in allen Kantonen gleich eingeschränkt. Das Strafvollzugskonkordat der Schweizer Kantone hat eine Empfehlung herausgegeben, dass Besuche, die nicht hinter der Trennscheibe durchgeführt werden können, nicht mehr durchzuführen sind. Die Kantone sind aber frei zu entscheiden, ob sie Besuche mit Trennscheiben durchführen wollen.
Einige Kantone haben Besuche ganz untersagt, nur amtliche Verteidiger oder Amtspersonen dürfen dort noch Gefangene sehen. Das ist ein harter Einschnitt. Die Anstalten sind bemüht, dass der telefonische Kontakt nach draussen vermehrt möglich wird.
Der Spaziergang kann durchgeführt werden.
Wie führt man die allgemeinen Massnahmen – beispielsweise das Abstandhalten – in den Gefängnissen durch?
Die Hygienevorschriften werden eingehalten. In der Nacht ist es unproblematisch, wenn die Eingewiesenen in Einzelzellen sind. Bei Mehrfachzellen muss darauf hingewiesen werden, dass die Insassen versuchen müssen, sich nicht zu nahezukommen. Der Betrieb läuft normal, bis auf gewisse Einschränkungen bei den Freizeitangeboten, weil nicht mehr so viele Insassen zusammenkommen können.
Für das Gefängnispersonal wünschen sich die Kantone von Bundesseite, dass mehr Tests zur Verfügung gestellt werden.
Wie steht es mit dem Hofgang?
Der Spaziergang kann durchgeführt werden. Jede Anstaltsleitung muss entscheiden, wie viele Leute sie gleichzeitig in den Spazierhof lassen darf. Das kann man in einer Anstalt gut umsetzen. Man hat den ganzen Tag Zeit, Spaziergruppen zu bilden.
In Spanien und Italien kam es zu Aufständen wegen verschärften Massnahmen. Was heisst das für die Schweiz?
Die Schweiz hat ein sehr professionelles Gefängnissystem. Wir unterscheiden uns zum Ausland dadurch, dass wir keine grossen Anstalten haben. Wir haben viele kleinere, gut ausgebildetes und genügend Personal und einen engen Kontakt zu den Insassen.
Gemäss meinen Informationen sind die neuen Massnahmen in den Gefängnissen der Deutschschweizer Kantone akzeptiert worden. Wir hatten keine Meldungen von ausserordentlichen Vorfällen.
Was bedeuten die Massnahmen für das Gefängnispersonal?
Für das Gefängnispersonal wünschen sich die Kantone von Bundesseite, dass mehr Tests zur Verfügung gestellt werden. So wüsste man schneller, ob von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine Ansteckungsgefahr ausgeht.
Wenn sich die Krise weiter verschärft, kann die Anstalt auf den sogenannten Sonntagsbetrieb hinuntergefahren werden. Wir sind aber noch nicht an diesem Punkt.
Auf welches Notszenario bereiten sich die Gefängnisse vor?
Wir haben regelmässige Videokonferenzen unter den drei Strafvollzugskonkordaten, der KKJPD und dem Bund. Vorbereitet wird, wie wir den Betrieb mit so wenig Personal wie möglich aufrechterhalten können, und auch ob, wann und wie es zu subsidiären Einsätzen von Zivilschutz und Armee kommen müsste. Aber das sind Planungen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.