Stühle werden auf die Pulte gestellt, Storen heruntergekurbelt, Türen verriegelt. In diesen Tagen verwaisen vielerorts die Klassenzimmer. Schulleitungen sind aber noch nicht in Ferienstimmung: Noch immer suchen sie Hunderte Lehrpersonen, um offene Stellen zu besetzen.
Aktuell sind im Kanton Aargau – auf 100-Prozent-Jobs hochgerechnet – noch 140 Stellen offen, in Luzern waren es letzte Woche deren 30, in Schwyz rund 20. Zürich hatte Mitte Juni sogar noch über 400 Jobs im Bildungsbereich zu vergeben.
Pädagogische Hochschulen lancieren Crashkurse
Klar ist: Im August wird vor jeder Klasse eine Lehrperson stehen. Einige von ihnen haben aber nicht das nötige Diplom im Sack. Um diesen Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern auf die Sprünge zu helfen, haben einige Kantone Crashkurse auf die Beine gestellt.
«Sommercamp» heisst etwa das Angebot der Pädagogischen Hochschule Bern. Eine «Einführungswoche» bietet die PH Zürich an. «Starter Kit» nennt es die PH Schwyz.
Der Crashkurs ist keine Ausbildung.
So unterschiedlich die Namen der Ausbildungsoffensive, so einheitlich ihr Ziel: Lehrpersonen auf die Schnelle das wichtigste Rüstzeug mitgeben. «Der Crashkurs ist keine Ausbildung», hält Pascal Staub fest.
Der Präsident des Verbandes der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kantons Schwyz hat das Starterkit mitgestaltet. «Das ist ein pragmatischer Weg, damit die Unterrichtenden gewisse grundlegende Dinge schon mal gehört haben.»
Aus der Damenschneiderin wird eine Klassenlehrerin
Der Schwyzer Kompaktkurs liefert in fünf Tagen unter anderem Inputs zur Unterrichtsplanung, Notengebung und zur Arbeit mit den Eltern. «Wir wollen Unterrichtenden ohne Lehrdiplom den Einstieg vereinfachen», sagt Priska Hellmüller, die an der PH Schwyz das Starterkit verantwortet.
An der ersten Auflage nehmen 35 Personen teil. Die Palette derer bisheriger Berufe reicht von der Floristin bis hin zum Gärtner. Hellmüller fasst deren erste Reaktionen zusammen: «Das Interesse ist sehr hoch. Aber sie merken: Herrje, der Schulalltag ist komplex.»
Die Didaktik hole ich mir bei diesem Kurs.
Den Crashkurs gebucht hat unter anderem Michaela Nagele, gelernte Damenschneiderin, 13 Jahre Erfahrung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Seit letztem Sommer unterrichtet sie unter anderem Deutsch; ab August steht sie als Klassenlehrerin im Einsatz. Die 48-Jährige sagt: «Ich weiss sehr viel über Pädagogik, aber die Didaktik fehlt mir zum Teil. Diese hole ich mir nun bei diesem Kurs.»
Claudia Hartmann wiederum will vor allem den Lehrplan 21 kennenlernen. Denn: Aus der Spielgruppenleiterin wird in kurzer Zeit eine Kindergärtnerin. «In der Spielgruppe steht das Spiel im Fokus, im Kindergarten hat man einen Bildungsauftrag, das sind zwei Paar Schuhe.»
Kompromisse alleine entschärfen Lehrermangel nicht
In Schwyz soll nicht nur das Starterkit die Schulen entlasten. Zusammen mit dem Kanton hat die PH auch ein berufsintegrierendes Studium lanciert. Angehende Kindergärtnerinnen und Primarlehrer können damit bereits im letzten Studienjahr Teilzeit unterrichten. Zudem hat der Kanton befristete Lehrbewilligungen verlängert.
Dem Lehrermangel der nächsten zehn Jahren müssen wir mit anderen Massnahmen begegnen.
«Auch wir können keine Lehrpersonen herbeizaubern», sagt Bildungsdirektor Michael Stähli. Kompromisse seien nötig – und unkonventionelle Mittel, eben beispielsweise das Starterkit. Gleichwohl verhehlt Stähli nicht: Eine Patentlösung sei das nicht. «Dem Lehrermangel der nächsten zehn Jahre müssen wir mit anderen Massnahmen begegnen.»