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Dargebotene Hand Zürich Telefonseelsorge nimmt sich zusehends komplexeren Problemen an

Bei der Dargebotenen Hand häufen sich Anrufe von Menschen mit psychischen Leiden. Die Aufgabe wird dadurch schwieriger.

«Es geht mir nicht gut», sagt Margrit. Die Seniorin wohnt in einem Altersheim, ein Tag gleicht dem anderen. Die Tochter ruft nur sehr selten an, der Sohn wohnt weit weg. «Bei dieser Person geht es vor allem darum, im Gespräch ein Gegenüber zu sein», sagt Matthias Herren. Er leitet die Dargebotene Hand in Zürich.

Für die Frau sei es wichtig, sich mit jemandem unterhalten zu können. «Das Gespräch soll für sie ein Highlight sein, weil sie sonst den ganzen Tag niemanden zum Reden hat.»

Weniger Fälle, längere Beratungsdauer

Bei Margrit handelt es sich um einen erfundenen Namen, der Fall aber ist real. Und es ist ein Fall, mit dem sich die Telefonberatung in Zürich häufig auseinandersetzt. Die neuesten Zahlen aus dem Jahr 2024 zeigen auch: Die Fälle werden zusehends aufwendiger. Bei 43 Prozent aller Anliegen geht es um ein komplexes psychisches Leiden.

Person telefoniert am Schreibtisch.
Legende: Die Dargebotene Hand verzeichnete im letzten Jahr weniger Anrufe, die Gespräche haben aber länger gedauert. Keystone / Gaetan Bally

Insgesamt hat die Zahl der Telefongespräche 2024 um rund fünf Prozent abgenommen – auf gut 31'200. Aber: Die Anliegen sind komplexer, vielschichtiger geworden. Dies führte dazu, dass ein Telefongespräch im vergangenen Jahr mehr Zeit in Anspruch nahm. Die Dauer ist durchschnittlich um 2 auf 17 Minuten gestiegen.

Wir merken hier auch ein wenig den Therapienotstand.
Autor: Matthias Herren Stellenleiter Dargebotene Hand Zürich

Oft melden sich Menschen, die auf einen Therapieplatz warten oder aus einer Klinik ausgetreten sind. Sie schätzen insbesondere, dass sie in Krisenmomenten unkompliziert und rund um die Uhr über das reden können, was sie belastet. Denn: Immer noch existieren für Menschen mit psychischen Problemen zu wenig Gesprächsmöglichkeiten.

«Wir merken hier auch ein wenig den Therapienotstand», sagt Matthias Herren. «Diese Menschen haben oft weniger Betreuung, als sie es sich wünschen.» Und darum komme es oft vor, dass die Dargebotene Hand als weitere Gesprächsmöglichkeit in Anspruch genommen werde.

Trump ist nicht das Problem

Im Fokus der Beratungen stehen hauptsächlich persönliche Anliegen. Das letzte Jahr war zwar geprägt von grossen politischen Veränderungen und von Naturkatastrophen. Dennoch waren Gespräche über Trump, Putin oder das Klima die Ausnahme. Sie machten nur gerade ein Promille aus, also rund 30 Anrufe.

Psychische Leiden wurden besonders häufig im englischsprachigen Angebot der Dargebotenen Hand wahrgenommen. Die Linie «Heart 2 Heart» hat im letzten Jahr knapp 1250 Gespräche registriert, 17 Prozent mehr als in ihrem ersten Betriebsjahr 2023.

Eine Auswertung zeigt nun: Psychische Probleme sind in fast 60 Prozent aller Telefonate auf Englisch ein Thema. Im Vergleich mit der deutschen Linie kommen in englischen Anrufen suizidale Gedanken gar doppelt so häufig zur Sprache.

Die Chatberatung kommt ans Limit

Nicht nur die komplexen Telefongespräche stellen für die Dargebotene Hand eine Herausforderung dar, gleichzeitig stösst auch die Chatberatung seit längerer Zeit an die Kapazitätsgrenzen.

Im letzten Jahr stieg die Zahl der Chats an – um vier Prozent auf fast 2500. Eine Untersuchung zwischen Oktober und Dezember 2024 zeigt, dass nur gut ein Viertel aller Chatanfragen beantwortet werden konnte, der Rest wurde abgewiesen.

Die Dargebotene Hand hilft

Box aufklappen Box zuklappen

Hast du selbst Suizid-Gedanken? Oder kennst du jemanden, der Unterstützung benötigt? Die Beraterinnen und Berater der Dargebotenen Hand helfen dir vertraulich und rund um die Uhr unter der Nummer 143 oder im Internet unter www.143.ch – per Telefon, Chat oder E-Mail.

Die elektronische Beratung bleibt also eine personelle und organisatorische Herausforderung. Hier als Entlastung auf künstliche Intelligenz zu setzen, kommt für die Dargebotene Hand aber nicht infrage. Matthias Herren sagt: «Die Leute suchen uns auf, weil sie eine direkte, menschliche Begegnung wollen.»

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Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 23.4.2025, 6:31 Uhr ; 

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