Was und wie haben die Pfahlbauer rund um den Bodensee gegessen? Das hat die Steinzeitforscherin Simone Benguerel vom Thurgauer Amt für Archäologie umgetrieben. Zusammen mit vier Berufskolleginnen und -kollegen hat sie die Essgewohnheiten unserer Vorfahren aus der Jungsteinzeit untersucht und hat die Resultate in einem wissenschaftlichen Kochbuch festgehalten.
Vor 5000 Jahren betrieben die Pfahlbauer Ackerbau und Viehzucht, suchten in freier Natur nach essbaren Pflanzen, jagten Wild und fingen Fische. Ein vielfältiger Menüplan – würde man meinen. Doch es gab zum Kochen weder Zwiebeln noch Knoblauch, und zum Würzen weder Pfeffer noch Salz.
Das Buch ist eine Mischung aus Wissenschaftsarchäologie und Kochbuch.
Die Pfahlbauerinnen und Pfahlbauer kannten weder Gemüse noch Früchte in der Art, wie wir sie heute täglich auf dem Tisch haben. Und trotzdem war ihre Küche alles andere als langweilig. Das zeigt das Kochbuch «PalaFitFood – so schmeckt die Pfahlbauküche».
Kochbuch aus Bauschutt und Abfall
In diesem Kochbuch finden sich Rezepte für Kroketten, Braten, Marzipan oder gar Sushi nach Pfahlbauerart. Woher aber stammen die Hinweise für die verwendeten Nahrungsmittel und deren Zubereitung? Hier verweist die Archäologin Simone Benguerel auf die Kulturschicht – oder weniger schön ausgedrückt, auf den Dreck, den Mist und den Kot in der Umgebung der Pfahlbausiedlungen.
Da wurden Essensreste gefunden, die auf eine vielfältige Ernährung hinweisen. Sie klebten auf Scherben von tönernen Kochtöpfen, Schalen oder Holzlöffeln. Die Scherben seien daher eigentliche Menükarten, weil auf ihnen noch Spuren der letzten Mahlzeiten zu finden sind, sagt die Forscherin Simone Benguerel.
Also analysierte sie den Speiseplan mithilfe verkohlter Samen, ausgegrabener Nussschalen oder erhaltener Tierknochen. «PalaFitFood» ist wohl das einzige Kochbuch, das entstanden ist aus dem Durchsuchen von Bauschutt, Abfall und Mist. Hier liegen eben die meisten Artefakte, so Benguerel. Essensreste lassen sich bezüglich Zusammensetzung, Zutaten und Zubereitung exakt identifizieren.
Weder Gemüse noch Früchte
Die Pfahlbauerinnen und Pfahlbauer haben sich gezwungenermassen sehr saisonal und zuckerarm ernährt. Es konnte – ohne Kühlschrank, Ofen und ohne Gewächshaus – nur gegessen und verkocht werden, was die Natur hergab. Gemüse kannten sie nicht. Das wurde erst in der Neuzeit kultiviert. Ihre Äpfel haben sie gleich wie die Beeren wild im Wald gesammelt.
Diese Nahrungsbeschaffung und schliesslich die Zubereitung seien damals sehr zeitraubend gewesen. Das habe sie selbst beim Nachkochen der Gerichte feststellen müssen, sagt Simone Benguerel.
Die Gerichte im Kochbuch seien alle rekonstruiert, neu benannt und allesamt erprobt worden in der Ausführung und im Geschmack.
Heute Unkraut – damals Suppenbeilage
Die Menschen in der Jungsteinzeit ernährten sich auch von Grünzeug. Ist der Giersch heute als Unkraut verpönt, gehörte er damals zu den essbaren Pflanzen. Die Pfahlbauer mischten ihn wahrscheinlich als nahrhafte Beigabe in die Suppe oder in den Salat. Beim Wiesenkerbel sind alle zarten Teile roh essbar. Die Samen schmecken nach Kümmel.
Der Gemeine Beifuss liefert getrocknet ein Gewürz und beim Gänseblümchen eignen sich die Blüten als Salatbeigabe. Die Knospen sind ein Gewürz, ähnlich wie Kapern. Und mit Honig und Holunder wird gesüsst, so auch der Mohnkuchen, den Simone Benguerel im Umluftofen vorgebacken hat.