Im Abstimmungsbüchlein schrieb der Bundesrat zur 13. AHV-Rente, bei einem Ja würden nur die Altersrenten der AHV erhöht, die anderen Renten hingegen – also auch jene der Invalidenversicherung IV – würden weiterhin zwölfmal pro Jahr ausbezahlt.
Doch unterdessen ist in diese Frage Bewegung gekommen. Denn AHV und IV gehören beide zur ersten Säule und fussen auf der gleichen Verfassungsbestimmung – diese sichert beiden Gruppierungen eine angemessene Deckung des Existenzbedarfes zu. Die Behindertenorganisation «Inclusion Handicap» hat darum ein Kurzgutachten bei Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht an der Universität Basel, eingeholt, zur Frage, inwiefern eine Ungleichbehandlung von AHV- und IV-Beziehenden überhaupt mit der Verfassung zu vereinbaren wäre.
Pärli: Keine 13. IV-Rente
In der IV eine 13. Rente einführen müsse das Parlament nicht, sagt Pärli gegenüber SRF. «Das Parlament muss nun den Volkswillen umsetzen, und der war, dass die AHV-Rentnerinnen und -Rentner gegenüber den IV-Rentnerinnen und -Rentnern privilegiert werden.»
Anders sei dies jedoch bei den ärmeren IV-Rentnerinnen und -Rentnern, also bei jenen rund 50 Prozent, die zusätzlich noch Ergänzungsleistungen benötigen. «Hier die IV-Rentnerinnen und –Rentner zu benachteiligen, geht nicht», sagt Pärli. «Das wäre ein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit und das Diskriminierungsverbot.»
Die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente hält fest, dass die 13. AHV-Rente nicht zu einer Kürzung der Ergänzungsleistungen führen darf. Das Parlament müsste also eine Regelung finden, die im Endeffekt bei den IV-Beziehenden zum gleichen Ergebnis führt.
SR-Kommission fordert vertiefte Analyse
Das Gutachten lag der ständerätlichen Gesundheitskommission vor, als sie über einen Vorstoss diskutierte, der sowohl bei den Renten als auch bei den Ergänzungsleistungen eine Gleichstellung von Menschen mit AHV und IV fordert.
Die Kommission will nun eine vertiefte Analyse vom Bundesamt für Justiz, um eine zweite Einschätzung zu haben zur Frage, wie viel Handlungsspielraum die Verfassung dem Parlament hierbei lässt.
Denn es gehe um verletzliche Menschen und um viel Geld, sagt FDP-Ständerat Damian Müller. «Die Kommission will eine breite Auslegeordnung. Denn zu den fünf Milliarden Franken, welche die 13. AHV-Rente zusätzlich kostet, würde nochmals eine halbe Milliarde Franken kommen mit einer 13. IV-Rente. Da wollen wir auch wissen, wer was finanziert.»
Nationalratskommission stimmte für Gleichstellung
Der Thurgauer Mitte-Nationalrat Christian Lohr freut sich, dass die Ständeratskommission die Frage immerhin analysieren lassen will. Die nationalrätliche Kommission hatte in einem knappen Entscheid die vollständige Gleichstellung gefordert. «Das war ein Signal an die Betroffenen: Wir vergessen euch nicht. Andererseits wollten wir so auch den Weg für einen Kompromiss ebnen.»
Das Kurzgutachten könnte einen Hinweis darauf liefern, wie ein solcher Kompromiss in Zeiten klammer Bundesfinanzen aussehen könnte: keine 13. IV-Rente. Aber eine Regelung, welche IV- und AHV-Beziehende bei den Ergänzungsleistungen gleich stellt.
Aus Bundessicht hätte dies noch einen weiteren Vorteil: Die Ergänzungsleistungen werden vor allem von den Kantonen finanziert.