Eine November-Nacht 2008: Gleich drei junge Männer passieren mit ihren Autos mit um die 120 Kilometer pro Stunde die Ortseinfahrt von Schönenwerd im Kanton Solothurn. Sie prallen in ein weiteres Auto, eine junge Frau stirbt, zwei ältere Menschen werden schwer verletzt. Es sind Unfälle wie dieser, die in der Folge zum Konsens führten – kein Pardon für Raserinnen und Raser.
Seither bekommt automatisch eine einjährige Gefängnisstrafe aufgebrummt, wer in einer 30er-Zone 70 fährt, ausserorts 140 oder auf der Autobahn 200.
Nicht jeder, der zu schnell fährt, ist ein Raser.
Dieser Automatismus für Autoraser ist den bürgerlichen Politikerinnen und Politikern schon länger ein Dorn im Auge. Per Vorstoss haben sie mit ihrer Parlamentsmehrheit darum den Bundesrat aufgefordert, hier nachzubessern: Keine Mindeststrafe mehr – und nicht mehr automatisch zwei Jahre Fahrausweisentzug, sondern nur ein Jahr oder ein halbes, so die Vorschläge.
Bürgerliche schliessen die Reihen
SVP, FDP und auch die Mitte waren geschlossen für die mildere, oder wie sie argumentierten, differenziertere Gangart. «Nicht jeder, der zu schnell fährt, ist ein Raser, macht dies wirklich bewusst und sollte dermassen massiv bestraft werden», sagt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy.
Die Richter bräuchten das, was sie in anderen Bereichen auch hätten: Ermessensspielraum, müssten den Einzelfall anschauen, die Umstände berücksichtigen und dann eine verhältnismässige Strafe aussprechen.
Denn nicht immer sei das Verschulden eines Rasers gleich gross, argumentierte Walter Wobmann von der SVP: «Es gibt Strecken, auf denen plötzlich Tempo 30 gilt und es passieren kann, dass jemand völlig unbeabsichtigt in den Raserbereich kommt.» Es könne nicht sein, dass diese Personen schon beim ersten Verstoss derart hart bestraft werden müssten.
Der vorliegende Verwässerungsvorschlag ist eine Machtdemonstration der Autolobby ohne Rücksicht auf Tote und Verletzte.
Mehr Ermessensspielraum – das fand auch die SP grundsätzlich richtig und hatte nichts gegen den Wegfall der Mindeststrafe einzuwenden.
Aber beim Ausweisentzug sahen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keinen Grund für Lockerungen. «Alle Untersuchungen belegen, dass der Entzug des Führerausweises wahrscheinlich die wirksamste präventive Sanktion gegen schwere Delikte im Strassenverkehr ist. Es geht hierbei nie um Bagatellen. Kein Fahrzeuglenker, der bei Trost ist, fährt in einer Tempo-30-Zone aus Versehen mit 70 Stundenkilometern», sagte SP-Nationalrat Jon Pult.
Die Grünen waren gegen jede Abschwächung. «Der vorliegende Verwässerungsvorschlag ist eine Machtdemonstration der Autolobby ohne Rücksicht auf Tote und Verletzte», sagte etwa Marionna Schlatter.
Der Anti-Raser-Artikel und das gesamte Via Sicura-Programm habe durchaus seine Wirkung gehabt, gab die Verkehrsministerin, Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu bedenken.
Laut einer Studie seien dank dieser Massnahmen zwischen 2013 und 2015 mindestens 100 Schwerst-Verunfallte verhindert worden. Sommaruga sagte mit Nachdruck. «Wer ein Raserdelikt begeht, verletzt elementare Verkehrsregeln so krass, dass er das hohe Risiko eines Unfalls mit Toten oder Schwerverletzten eingeht – und zwar vorsätzlich.»
Bundesrat trägt Abschwächung mit
Der Bundesrat schlage dennoch eine Abschwächung des Raser-Artikels vor, weil es das Parlament verlangt habe, so Sommaruga.
Eine Mehrheit im Nationalrat entschied sich dafür, dass ein Raser den Fahrausweis ein und nicht mehr zwei Jahre abgeben muss. Der Vorschlag, sogar nur noch ein halbes Jahr das Billett zu entziehen, ging einer Mehrheit dann doch zu weit. Die Vorlage geht nun weiter an den Ständerat.