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Die Macht von Big Tech «Fest in Microsoft-Hand»: Braucht es ein Ausstiegsszenario?

Mit Trump haben US-Tech-Giganten wie Apple, Google und Meta einen mächtigen Verbündeten im Weissen Haus. Bedenken zum Datenschutz werden laut. Die EU reagiert mit neuen Verfahren oder gar Milliardenstrafen. Was das alles für die Schweiz bedeutet, erklärt Tech-Journalistin Adrienne Fichter.

Adrienne Fichter

investigative Tech-Journalistin

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Adrienne Fichter ist investigative Tech-Journalistin beim Online-Magazin «Republik» und beschäftigt sich mit den Tech-Firmen und ihrem Umgang mit unseren Daten. 2017 gab sie das Buch «Smartphone-Demokratie» heraus.

SRF: Was hat sich seit der Wahl von Trump in den USA bezüglich der Nutzung unserer Daten und jener von US-Bürgern verändert?

Fichter: Der US-Staat veranstaltet gerade Hackathons mit den Steuerdaten der US-Bevölkerung, während Akteure wie Musk und das Doge-Gremium Zugriff auf Milliarden sensibler Datensätze haben. Die Tech-Konzerne zeigen Bereitschaft zur engen Zusammenarbeit mit der Trump-Regierung.

US-Behörden können jederzeit auf Daten von US-Cloud-Anbietern zugreifen – unabhängig vom Standort.

Das Beispiel des Hackathons zeigt: Die Regierung hat nicht nur theoretisch Zugriff auf riesige, zuvor getrennte Datentöpfe, sondern will mit leistungsfähigen KI-Modellen alles zusammenführen, um neue Informationen zu gewinnen. Schutzmauern fallen – alles wird zusammengeworfen und ausgewertet.

Was bedeutet das für Nutzerinnen und Nutzer?

US-Behörden können jederzeit auf Daten von US-Cloud-Anbietern zugreifen – unabhängig vom Standort der Rechenzentren. Die Konzerne dürfen solche Zugriffe nicht öffentlich machen. Zwar versprach die Biden-Administration eine stärkere Kontrolle der Geheimdienste, woraus ein neues transatlantisches Datenschutzabkommen zwischen den USA, der EU und der Schweiz entstand. Doch dieses Kontrollorgan wurde unter Trump wieder abgeschafft. Es ist zu erwarten, dass Tech-Konzerne sich wenig gegen behördlichen Zugriff wehren. Sollte sich die Entwicklung fortsetzen, verliert das Abkommen seine Gültigkeit, und es entsteht ein rechtliches Vakuum.

Die EU hat viele Gesetze zur Regulierung von Big Tech verabschiedet. Hat die Schweiz vergleichbare Regeln?

Die Schweiz setzt bei den Digitalgesetzen der EU meist nur das Minimum um – mit geringen Pflichten für Unternehmen und wenig Rechten für Bürgerinnen und Bürger.

Diese Digital-Gesetze gelten in der EU

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Seit 2024 sind in der EU drei grosse Regelwerke in Kraft, die besonders auf die grossen Tech-Konzerne abzielen: der Digital Markets Act (DMA), der Digital Services Act (DSA) und das EU-KI-Gesetz (AI Act).

  • Der DMA verbietet zum Beispiel die Selbstbevorzugung eigener Dienste oder die verpflichtende Nutzung eigener Zahlungsdienste. Das Ziel sind ein fairer Wettbewerb und der Schutz kleinerer Marktteilnehmer.
  • Der DSA soll für den besseren Schutz der Nutzerinnen und Nutzer grosser Digitalplattformen sorgen und die Verbreitung illegaler Inhalte verhindern. Es drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Seit dem Inkrafttreten des DSA sind zehn Verfahren eingeleitet worden, unter anderem gegen X, Tiktok, Aliexpress, Metas Plattformen Facebook und Instagram und gegen Temu. 
  • Im Juni 2024 beschloss das EU-Parlament zudem das weltweit erste umfassende KI-Regulierungsgesetz. Es verpflichtet Anbieter zu Transparenz, Risikobewertung und Menschenrechtsstandards.

Bund und Kantone haben in den letzten zehn Jahren 1.1 Milliarden Franken an Microsoft gezahlt. Wie gross ist ihre Abhängigkeit? Welche Risiken birgt das auch für Private?

Bund und Kantone sind fest in Microsoft-Hand. Trotz vermeintlich vorteilhafter Verträge hat Microsoft die Kontrolle – etwa beim Datenzugriff oder bei der Software-Wartung. Im Fall eines Handelsstreits könnte die US-Regierung diesen Datenschatz nutzen und etwa über KI kompromittierende Informationen zu Banken oder geheime E-Mails von Parlamentarierinnen und Parlamentariern extrahieren, wie auch Geheimdienstexperte Bert Hubert warnt.

Während man bei Banken einfach den Anbieter wechseln kann, geht das bei Steuerbehörden nicht.

Auch Privatpersonen sind betroffen: Ihre Daten liegen teils bei US-Konzernen, oft ohne Wissen über den Speicherort. Während man bei Unternehmen wie Banken den Anbieter wechseln kann, wenn man mit deren Datenspeicherung nicht einverstanden ist, geht das bei den Steuerdaten nicht.

Person hält Handy mit Microsoft Teams-Anmeldung.
Legende: Eines der meistgenutzten Kommunikationstools in der Arbeitswelt: Microsoft Teams. Imago images/Pond5 Images

Braucht die Schweiz ein Ausstiegsszenario aus diesen Cloud-Verträgen? Wie könnte dieses aussehen?

Es ist sinnvoll, dass die Bundeskanzlei eine Exitstrategie im Office-Bereich prüft, wenn auch zögerlich. Die Public-Cloud-Verträge mit Amazon, Microsoft und Co. laufen 2026 aus. Das eröffnet die Chance, in Zukunft europäische Anbieter zu bevorzugen. Doch Kantone und andere Verwaltungseinheiten verhandeln weiterhin separat mit Big Tech. Auch hier wären Alternativen wie die staatlich finanzierte Open Source OpenDesk-Suite aus Deutschland prüfenswert, um Abhängigkeiten zu reduzieren.

Das Gespräch führte Club-Redaktorin Mirjam Weidmann.

Club, 1.4.2025, 22:25 Uhr ; 

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