Zum Inhalt springen

Daten-Souveränität Die Schweiz und ihre riskante Abhängigkeit von US-IT-Firmen

In den vergangenen zehn Jahren haben Bund und Kantone mehr als 1.1 Milliarden Franken allein an Microsoft bezahlt.

Darum geht es: Bund und Kantone geraten zusehends in die Abhängigkeit von US-Tech-Konzernen. Mit Abstand der grösste Anbieter ist Microsoft. In diesem Jahr werden allein beim Bund 40'000 Mitarbeiter mit Microsoft Office 365 ausgerüstet. Die Berner Fachschule hat für SRF die öffentliche Beschaffung von Bund und Kantonen überprüft. «In den vergangenen zehn Jahren haben Bund und Kantone über 1.1 Milliarden Franken für Microsoft-Lizenzen bezahlt, allein im vergangenen Jahr über 340 Millionen – so viel wie noch nie», sagt Matthias Stürmer, Professor für digitale Nachhaltigkeit an der Berner Fachhochschule.

Buntes Microsoft-Logo vor einem Gebäude.
Legende: Teure Lizenzen: 1.1 Milliarden von Bund und Kantonen flossen in den vergangenen zehn Jahren zu Microsoft. Keystone/KENA BETANCUR

Das sagt der Bund: Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage: «Eine grosse Organisation hat heute faktisch keine Alternative, mit der man eingeführte Microsoft-Lösungen in der IT-Infrastruktur einfach so ersetzen könnte», man sei abhängig von Microsoft. «Diese Abhängigkeit führt dazu, dass die Firma eine starke Position bezüglich der Preise hat, was entsprechende Kostenfolgen nach sich zieht.» Eine Ablösung wäre ein Hochrisiko-Vorhaben und hätte, unabhängig vom Erfolg, hohe Investitionen zur Folge. Diese wären um ein Vielfaches höher als die aktuellen Lizenzkosten.

Korrekturhinweis «10vor10»

Box aufklappen Box zuklappen

Im «10vor10»-Beitrag vom 6. März 2025 berichteten wir fälschlicherweise, dass der Bund in den vergangenen zehn Jahren 1.1 Milliarden Franken für Microsoft-Lizenzen ausgegeben habe. Diese Zahl bezieht sich aber auf die gesamten öffentlichen Ausgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden, nicht nur auf den Bund allen. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.

Das sind die Risiken: Die eidgenössische Finanzkontrolle in Bern untersucht regelmässig die millionenteuren IT-Beschaffungen des Bundes. Diese Abhängigkeiten bergen Risiken, sagt EFK-Prüfbereichsleiter Robert Scheidegger: «Das grösste Risiko, welches die EFK bei ihren Prüfungen erkannt hat, ist die Verfügbarkeit der Daten und Anwendungen, welche in einer öffentlichen Cloud betrieben werden. Wenn der Cloud-Anbieter die Plattform abstellt, kann der Bund nicht mehr darauf zugreifen.» Als Beispiel führt er Meteo-Daten an: «Sie sind bezüglich Schutz nicht kritisch. Wenn diese aber nicht aktuell zur Verfügung gestellt werden können, fliegt in Zürich kein Flieger mehr.»

USA könnten mitlesen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Trump-Regierung und ihr Umgang mit dem Rechtsstaat mehren die Sorgen bei Anwendern. Denn die US-Regierung darf von Gesetzes wegen auf alle bei US-Techkonzernen gespeicherten Daten zugreifen. Dafür hatte Donald Trump 2018 mit dem sogenannten «Cloud Act» gesorgt. Das heisst: Liegen Daten auf Servern oder Clouds von US-Konzernen wie beispielsweise Microsoft, Apple oder Adobe – egal wo auf der Welt –, dürfen US-Behörden diese bei den US-Konzernen anfordern – also auch dann, wenn die Server in der Schweiz stehen. Der Nutzer weiss meist weder, welche Behörde auf die Daten zugreift noch was mit den Daten geschieht.

Das sagt Microsoft: Microsoft Schweiz schreibt SRF: «Wir geben Daten nur dann weiter, wenn wir gesetzlich dazu verpflichtet sind.» Man werde sich gegen eine solche Weitergabe in jedem Fall mit allen rechtlichen Schritten wehren.

So reagieren andere Regierungen:  Der Blick über die Grenze zeigt: Deutschland will sich beispielsweise von den US-Techkonzernen lösen – weg von Microsoft und Co. hin zur eigenen IT-Infrastruktur. Eine Vorreiter-Rolle spielt dabei die Staatskanzlei in Schleswig-Holstein. Dirk Schrödter ist Digitalisierungsminister des Bundeslandes. Microsoft-Dateien fasse er nicht mehr an, sagt er. «Ich finde, wir können unseren Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen gar nicht erklären, dass Dritte so einen Einfluss auf die Datenhaltung nehmen.» Cloud-Systeme wie Microsoft 365 verschärften dies. «Deshalb müssen wir andere Wege gehen und uns mit offenen Schnittstellen und mit verschiedenen Lösungen breiter aufstellen.» Der Wettbewerb hätte gleichzeitig einen wirtschaftlichen Effekt.

«IT-Systeme für die Verwaltung sind systemrelevant.»

Box aufklappen Box zuklappen
Mann mit Brille
Legende: Dirk Schrödter, Digitalminister von Schleswig-Holstein SRF

Das deutsche Bundesland Schleswig-Holstein hat eine klare Strategie, sich von den grossen IT-Firmen zu lösen. Weg von Microsoft und Co. hin zu Open Source. Digitalisierungsminister Dirk Schrödter erklärt, wie das geht:

Sie wollen weg von den grossen US-Firmen, weshalb? 

IT-Systeme für die Verwaltung sind geschäftskritisch. Sie sind systemrelevant. Da brauchen wir ein hohes Mass an Unabhängigkeit. Wir müssen als Staat unsere Rolle in der digitalen Transformation in der digitalen Welt selbstbestimmt und sicher wahrnehmen. Und deshalb brauchen wir Einfluss auf die Betriebsprozesse unserer IT-Systeme und müssen Herr über die Datenhaltung unserer Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sein.  Das schaffen wir nicht ohne digitale souveräne Lösungen und Gestaltungsmacht. Hersteller-Cloudsysteme, wie von Microsoft, verschärfen die bestehenden Abhängigkeiten. Deshalb wollen wir bis Oktober 2025 Microsoft Office und Outlook durch andere Lösungen abgelöst haben.

Wie lösen Sie das?

Für uns ist der Einsatz quelloffener Systeme – Open-Source-Software – mit offenen Standards entscheidend, weil wir so Wettbewerb schaffen und uns von den Abhängigkeiten von grossen IT-Firmen lösen können. Wir haben vor knapp einem Jahr damit begonnen, flächendeckend die Open-Source-Lösung LibreOffice in der Ministerialverwaltung und den nachgeordneten Bereichen auszurollen, haben das dort auch erreicht. Und ich muss sagen, wir sind hochzufrieden damit.

Die Welt uns Sie herum arbeitet noch immer Microsoft, wie geht das zusammen?

Es muss immer einen Pionier geben, und das sind dann eben wir. Wenn wir alle mit offenen Standards und Austauschformaten arbeiten, dann kann das auch Microsoft-Office lesen und verarbeiten und umgekehrt. Aber klar, das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Das geht nicht von heute auf morgen. Innerhalb von Deutschland haben wir aber ein klares Bekenntnis dazu, offene Dateiformate, von der Digitalministerkonferenz auf Antrag Schleswig-Holsteins beschlossen, zu verwenden.

Sind Open-Source-Unternehmen denn verlässlich genug?

Mit Sicherheit. Wir haben es hier mit hochprofessionellen, hochprofitablen Unternehmen zu tun. Das sind keine Nerds, die etwas herumwursteln. Das Geschäftsmodell ist ein anderes als bei Microsoft und Co. Wir haben direkt Einflussmöglichkeiten darauf, wie Lösungen passgenau für unsere Bedürfnisse aussehen und müssen nicht etwas von der Stange kaufen. Vor allem aber können wir unsere Sicherheitsniveaus erhöhen. Mit dem Einsatz von Open Source lassen sich kritische Infrastrukturen unabhängig betreiben, anpassen und kontrollieren. Die IT-Sicherheit und Datensicherheit wird durch Transparenz und Anpassbarkeit verbessert.

10vor10, 6.3.2025, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel