Darum geht es: Bund und Kantone geraten zusehends in die Abhängigkeit von US-Tech-Konzernen. Mit Abstand der grösste Anbieter ist Microsoft. In diesem Jahr werden allein beim Bund 40'000 Mitarbeiter mit Microsoft Office 365 ausgerüstet. Die Berner Fachschule hat für SRF die öffentliche Beschaffung von Bund und Kantonen überprüft. «In den vergangenen zehn Jahren haben Bund und Kantone über 1.1 Milliarden Franken für Microsoft-Lizenzen bezahlt, allein im vergangenen Jahr über 340 Millionen – so viel wie noch nie», sagt Matthias Stürmer, Professor für digitale Nachhaltigkeit an der Berner Fachhochschule.
Das sagt der Bund: Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage: «Eine grosse Organisation hat heute faktisch keine Alternative, mit der man eingeführte Microsoft-Lösungen in der IT-Infrastruktur einfach so ersetzen könnte», man sei abhängig von Microsoft. «Diese Abhängigkeit führt dazu, dass die Firma eine starke Position bezüglich der Preise hat, was entsprechende Kostenfolgen nach sich zieht.» Eine Ablösung wäre ein Hochrisiko-Vorhaben und hätte, unabhängig vom Erfolg, hohe Investitionen zur Folge. Diese wären um ein Vielfaches höher als die aktuellen Lizenzkosten.
Das sind die Risiken: Die eidgenössische Finanzkontrolle in Bern untersucht regelmässig die millionenteuren IT-Beschaffungen des Bundes. Diese Abhängigkeiten bergen Risiken, sagt EFK-Prüfbereichsleiter Robert Scheidegger: «Das grösste Risiko, welches die EFK bei ihren Prüfungen erkannt hat, ist die Verfügbarkeit der Daten und Anwendungen, welche in einer öffentlichen Cloud betrieben werden. Wenn der Cloud-Anbieter die Plattform abstellt, kann der Bund nicht mehr darauf zugreifen.» Als Beispiel führt er Meteo-Daten an: «Sie sind bezüglich Schutz nicht kritisch. Wenn diese aber nicht aktuell zur Verfügung gestellt werden können, fliegt in Zürich kein Flieger mehr.»
Das sagt Microsoft: Microsoft Schweiz schreibt SRF: «Wir geben Daten nur dann weiter, wenn wir gesetzlich dazu verpflichtet sind.» Man werde sich gegen eine solche Weitergabe in jedem Fall mit allen rechtlichen Schritten wehren.
So reagieren andere Regierungen: Der Blick über die Grenze zeigt: Deutschland will sich beispielsweise von den US-Techkonzernen lösen – weg von Microsoft und Co. hin zur eigenen IT-Infrastruktur. Eine Vorreiter-Rolle spielt dabei die Staatskanzlei in Schleswig-Holstein. Dirk Schrödter ist Digitalisierungsminister des Bundeslandes. Microsoft-Dateien fasse er nicht mehr an, sagt er. «Ich finde, wir können unseren Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen gar nicht erklären, dass Dritte so einen Einfluss auf die Datenhaltung nehmen.» Cloud-Systeme wie Microsoft 365 verschärften dies. «Deshalb müssen wir andere Wege gehen und uns mit offenen Schnittstellen und mit verschiedenen Lösungen breiter aufstellen.» Der Wettbewerb hätte gleichzeitig einen wirtschaftlichen Effekt.