Noch während der Gewerkschaftsbund seinen Gesprächsboykott den Medienschaffenden erläuterte, legte die Sozialdemokratische Partei nach. «Hände Weg vom Lohnschutz» schrieb sie in einem E-Mail, und erklärte, sie trage den Entscheid der Gewerkschaften voll und ganz mit.
Die Gespräche über den Lohnschutz hätten gar nicht stattfinden dürfen.
Nun sieht sich die SP mit dem Vorwurf konfrontiert, gemeinsam mit den Gewerkschaften die Verhandlungen mit der EU in die Sackgasse zu führen. SP-Nationalrat Martin Naef winkt ab: «Diese Gespräche hätten gar nicht stattfinden dürfen. Der Bundesrat hat ein klares Mandat bekommen. Darin steht ganz klar: Über den Lohnschutz wird mit der EU nicht verhandelt.»
Dass der Lohnschutz in der EU bei grenzüberschreitender Arbeit deutlich weniger stark ausgebaut ist als in der Schweiz, dazu sagt der SP-Nationalrat: «Der Lohnschutz ist in der EU anders ausgestaltet.» Und derzeit sei sehr viel im Fluss bei den Änderungen der sogenannten Entsendegesetze: «Bei der grenzüberschreitenden Arbeit passiert im Moment viel. Hier wäre auch die Schweiz sehr kompetent. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Schweiz mitdiskutieren und mitbestimmen könnte.»
Wirtschaftsinteressen über denen der Arbeitnehmer?
Die Gewerkschaften kritisieren aber seit Jahren, dass die EU den Marktzugang, also die Interessen der Unternehmen, stärker gewichte als den Schutz der Angestellten. Das zeigten Urteile des Europäischen Gerichtshofes. Das belege umso mehr, meint SP-Nationalrat Naef, dass man eine gesamteuropäische, sozialere Politik anstreben müsse.
Das sei auch das Ziel der Gewerkschaften. Es gebe da keine Differenz: «Wir als SP haben immer gesagt: Wir sind für die Personenfreizügigkeit und für ein Rahmenabkommen.» Die SP sei die einzige Partei, die das so klar sage. Aber: «Das Rahmenabkommen und der Lohnschutz in der Schweiz – auch für ausländische Arbeitnehmende – sind wie Zwillinge. Das eine geht ohne das andere nicht.»
Ich persönlich hätte dem Gespräch mit dem Bundesrat nicht abgesagt.
Doch in den Rängen der SP ist vereinzelt auch leise Kritik hörbar, zumindest am Vorgehen der Gewerkschaften. SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Eric Nussbaumer hätte das Gespräch zu einem so frühen Zeitpunkt nicht verweigert – aus taktischen Überlegungen: «Ich persönlich hätte dem Gespräch mit dem Bundesrat nicht abgesagt. Das ist aber eine andere Fragestellung.»
Kann die Blockade doch noch gelöst werden?
Inhaltlich habe er aber grosses Verständnis für die Gewerkschaften: So wie das Einladungsschreiben zu den Gesprächen formuliert gewesen sei, sei der Boykott nachvollziehbar. Das Mandat des Bundesrates, dass Verhandlungen über die flankierenden Massnahmen ausschliesst, gelte nach wie vor.
Neulich hätten sich die EU und die Schweiz geeinigt, dass staatliche Beihilfen nicht unter das Rahmenabkommen fallen würden, sagt Nussbaumer: «Von daher gibt es sehr viel Spielraum offene Fragestellungen nicht innerhalb des institutionellen Rahmenabkommens zu lösen.»
Das gleiche müsse man bei den Lohnschutzmassnahmen tun. Das Rahmenabkommen mit der EU wäre immer noch möglich, so der SP-Politiker, ganz nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten: Mehr Öffnung gegenüber der EU und gleichzeitig Schutz gegen Lohndruck aus dem billigeren Ausland.
Nicht alle Gewerkschaften stehen hinter Boykott
Auch innerhalb des Gewerkschafts-Dachverbands gibt es kritische Stimmen gegenüber der Gesprächsverweigerung durch den Gewerkschaftsbund und die gemässigtere Travaille.Suisse. Allerdings geht der Vorwurf insbesondere an den Bundesrat, der das Gespräch schlecht aufgegleist habe. Eine Rekonstruktion des Gesprächsverlaufs: