In grossen Teilen der Stadt Lausanne ist der Boden mit Dioxin verschmutzt. Das zeigen Resultate von knapp 130 Messstationen. Das Dioxin stammt aus der ehemaligen Kehrrichtverbrennungsanlage. Der Kanton Waadt informierte am Montag und löste Untersuchungen in anderen Städten aus.
Doch wie gehen die Anwohnerinnen und Anwohner mit dem Gift in der Erde um? Sogar kleine Viecher habe es an seinem Rosenkohl, alles sei biologisch, sagt etwa Jean-Marie Péquignot. Den Humor hat der 78-Jährige nicht verloren, der seit 1982 in einem Haus zwischen Stadtzentrum und Sauvabelin-Wald wohnt.
Jahrzehntelang habe die Familie diesen Garten genutzt, ergänzt seine Ehefrau Verena: «Hier im Garten und in der Umgebung haben unsere Kinder gespielt und gebuddelt. Sie waren während 20 Jahren betroffen, wir selber über 40 Jahre. Das ist doch schwerwiegend.»
So schwerwiegend, dass das Bild vom eigenen Heim als Traumhaus nun zerfällt. Das Ehepaar überlegt sich, den Gemüsegarten aufzuheben. Das Zuhause sei ein bisschen wie vom Paradies zur Hölle geworden, so der Senior: «Wir fühlen uns betrogen – anstatt gesund und nachhaltig haben wir Gemüse aus verschmutzten Böden gegessen.»
Wir fühlen uns betrogen – anstatt gesund und nachhaltig haben wir Gemüse aus verschmutzten Böden gegessen.
Das Ehepaar Péquignot beschäftigt sich seit Mai intensiv mit der Problematik. Damals wurde das Dioxin bei einem privaten Bauprojekt entdeckt, wie ihr Dossier mit den ersten Zeitungsberichten aus der «24 heures» zeigt.
Früh angeklopft – Absage erhalten
Bei den Behörden meldeten sie sich schon im Sommer, weil sie wissen wollten, wie stark ihr Boden kontaminiert ist. Antwort: Sie müssten auf eigene Kosten Proben machen lassen. Das habe ihn sehr enttäuscht, sagt Jean-Marie Péquignot: «Das ist inakzeptabel, denn wir sind nicht verantwortlich für diese Verschmutzung.»
Wir sind nicht verantwortlich für diese Verschmutzung.
Jetzt stelle sich die Frage nach einer finanziellen Entschädigung. Denn bei der Gesundheit könne nichts wieder gutgemacht werden. Seit Mai hinterfragen sie auch ihre gesundheitlichen Probleme mit Blick auf Dioxin.
Gleiches Bild im Vallon-Quartier
Weiter unten, am Fuss des Hügels, liegt das «Quartier du Vallon», wo die frühere Kehrichtverbrennungsanlage stand. Sie wurde inzwischen abgerissen und etwas weiter entfernt neu gebaut, mit modernen Filteranlagen.
Auch im Vallon-Quartier liegt regelmässig Russ auf den Fenstersimsen. Vor fünf Jahren wurden hier mit Beteiligung des Quartiervereins Familiengärten eingerichtet. Vorstandsmitglied Dominique Hugon führt über den Holzschnitzelweg in den Garten. Auch ein Kürbis liegt im Beet, ein Gemüse, das Dioxin einfacher aufnimmt als andere.
Schwermetalle bereits vor fünf Jahren entdeckt
Dennoch ist Hugon nicht beunruhigt: «Die Erde der Gemüsebeete wurde ausgetauscht, wir haben also gesunde Erde hier.» Der Boden wurde ersetzt, weil vor fünf Jahren bei Proben Schwermetalle gefunden worden waren. Ausgetauscht ist aber nur die Erde in den Gemüsebeeten. Alles rundherum dürfte weiterhin verschmutzt sein.
Doch damit könnten sie umgehen, sagen Hugon wie auch Myriam Daetwyler, die Präsidentin des Quartiervereins. Was die beiden aber stört: Die Stadt hat vor fünf Jahren zwar nach Schwermetallen, aber nicht auch nach Dioxin gesucht – obwohl ein Anwohner genau dies verlangt hatte. «Das hätte man damals tun sollen, das hätte uns fünf Jahre mehr Zeit gegeben, das Problem zumindest anzugehen», betont Daetwyler.
Die Präsidentin des Vallon-Quartiervereins erwartet nun, dass die Stadt und der Kanton den Worten Taten folgen lassen und hält fest: «Wir haben diese Umwelt verschmutzt. Nun muss man die Verantwortung übernehmen und etwas machen.»