Der Nationalrat entscheidet heute über eine Standesinitiative des Kantons Jura, die einen deutlich günstigeren Öffentlichen Verkehr in der Schweiz fordert. Nur so würden noch mehr Menschen auf den ÖV umsteigen und die Klimaziele erreicht werden.
Im «Politikum» von Radio SRF kreuzen Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer und Mitte-Mann Martin Candinas im Vorfeld der Debatte die Klingen.
Es braucht eine Gesetzesanpassung auf Bundesebene, damit wir die Klimaziele erreichen und die bevorstehenden Kostensteigerungen abfedern können.
Brenzikofer ist klar der Ansicht: Die Preise müssen runter. Brachliegendes Potenzial sieht sie insbesondere bei einem «ganzheitlichen, einfachen und schweizweiten Preissegment». Sie nennt ein Beispiel: Wer an der Fachhochschule Nordwestschweiz studiere, fahre von Basel über Olten und Aarau durch drei Tarifverbunde.
Weder Streckenabo noch GA seien hier die richtige Lösung, so Brenzikofer. «Deshalb unterstütze ich die Standesinitiative aus dem Kanton Jura: Sie fordert, dass es neue, kostengünstige Preissegmente geben soll.»
Gratis-ÖV «entspricht nicht Schweizer Mentalität»
Wäre es sogar denkbar, einen Gratis-ÖV einzuführen, wie es in Luxemburg bereits Realität ist? Candinas ist gegen einen derart radikalen Schritt: «Das entspricht einfach nicht der Schweizer Mentalität. Alles hat seinen Preis – und das ist richtig so.»
Die öffentlichen Verkehrsmittel würden zwar schon rege genutzt, sagt Brenzikofer. Aber: Es geht noch mehr – und es muss noch mehr gehen, findet die Präsidentin der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Schweiz. Die Devise: Runter von der Strasse, rauf auf die Schiene (und weitere klimafreundlichere Verkehrsträger).
Und wer zahlt?
Die Anschlussfrage, die sich unweigerlich stellt: Wer soll das bezahlen? Schliesslich wird der ÖV schon heute subventioniert, gerade im Regionalverkehr. Candinas ist zwar Präsident des Verbandes Litra, der ebenfalls für den öffentlichen Verkehr lobbyiert. Und auch er findet: «Der ÖV ist die Lösung der Zukunft für den Verkehr.»
Es braucht ein Gleichgewicht zwischen der Finanzierung durch die öffentliche Hand und durch die Nutzerinnen und Nutzer.
Der Bündner ist aber dagegen, dass die Allgemeinheit noch stärker ins Portemonnaie greifen muss, um den ÖV voranzubringen. Der regionale Verkehr ist eine Erfolgsgeschichte in der Schweiz.» Bund und Kantone investierten mit Erfolg in das System. Die Schweiz sei seit Jahren «Europameister im Bahnfahren», die Netzdichte suche ihresgleichen, ebenso die Pünktlichkeit. Zudem seien die Preise auch im internationalen Vergleich bezahlbar.
Was tun?
Candinas’ Fazit: «Es braucht ein Gleichgewicht zwischen der Finanzierung durch die öffentliche Hand und durch die Nutzerinnen und Nutzer.» Die Losung: Um das Erfolgsmodell ÖV zu erhalten, braucht es keine drastischen Massnahmen, sondern fortwährende Reformen an den richtigen Stellschrauben.
Brenzikofer kommt zu einem anderen Schluss: «Es braucht eine Gesetzesanpassung auf Bundesebene, damit wir die Klimaziele erreichen und die bevorstehenden Kostensteigerungen abfedern können.» Und das, ohne den Druck auf die Fahrgäste zu steigern.