Die Schweiz sucht seit Jahrzehnten nach einem Standort für ein atomares Endlager. Auch in Deutschland ist die Standortdiskussion neu lanciert worden. Doch die lange Zeitdauer, bis dereinst ein Projekt in Betrieb gehen kann, sieht ETH-Experte Simon Löw nicht als Nachteil. Im Gegenteil.
SRF News: Die Diskussion um Atomendlager laufen in der Schweiz und in Deutschland seit Jahrzehnten. Gibt es Länder, die schon solche Lager in Betrieb haben?
Simon Löw: Weiter sind insbesondere die Finnen und in gewisser Weise auch die Schweden – allerdings bedeutet weiter nicht immer besser. Erstaunlich ist, dass Länder, in denen der gesellschaftliche Widerstand früher gross war, zwischenzeitlich zwar Rückschläge erlitten haben, jetzt aber teilweise an neuen Projekten arbeiten, die oft besser sind als die alten.
Wie werden die radioaktiven Abfälle beispielsweise in Finnland gelagert?
In Finnland und Schweden werden die Abfälle im Kristallin gelagert. Das sind alte Gesteine der kontinentalen Kruste. Allerdings gibt es in Skandinavien auch kaum andere Gesteine.
Sie sagen, das sei nicht die optimale Lösung. Wie sollte die Schweiz das radioaktive Abfallproblem also lösen?
Auch hier gab es vor Jahrzehnten ein Projekt für ein Lager in kristallinem Gestein. Doch in der Schweiz gibt es eine grössere Vielfalt an Gesteinen. Was heute hier verfolgt wird, sind Projekte in besser geeigneten Gesteinen.
Wieso sind die Skandinavier so viel weiter als die Schweiz oder Deutschland?
Je vielfältiger die Gesteine sind, desto schwieriger wird die Auswahl. Ausserdem ist für die Geschwindigkeit der Projekte die Gesellschaft verantwortlich.
Die Partizipation der Bevölkerung ist sehr wichtig – das verzögert ein Projekt aber auch.
Die Partizipation ist sehr wichtig für ein erfolgreiches Projekt – aber sie verzögert ein Projekt auch. In Finnland ist die Partizipation zwar auch gewährleistet, aber die Opposition aus der Bevölkerung ist geringer als in anderen Ländern.
Wer bezieht die Bevölkerung bei der Standortsuche für ein atomares Endlager am besten mit ein?
Die Schweiz macht das gut. Das vor zehn Jahren gestartete Sachplanverfahren ist bis heute ein Erfolg. Auch andere Länder, wie Deutschland, streben jetzt ein solches Verfahren an. In zentralistisch organisierten Ländern findet die Partizipation dagegen bloss in geringem Umfang statt.
Bis ein Projekt für die Endlagerung bereit ist, dauert es Jahrzehnte. Haben wir diese Zeit?
Ja, wohl schon – denn Verzögerungen führen oft zu deutlich besseren Projekten. Als Beispiel kann man den möglichen Standort Wellenberg nehmen. Das wäre kein schlechtes Gebiet für ein Endlager, wurde politisch aber vor etwa 15 Jahren verworfen. Deshalb hat man die möglichen Standorte in der Schweiz nochmals grossräumig untersucht. Inzwischen untersucht man mehrere Standorte in der Nordwestschweiz im Opalinuston. Alle diese Standorte sind besser geeignet als Wellenberg.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.