Nach den Jugendkrawallen in St. Gallen am Osterwochenende fordern fünf Jungparteien, dass die Stimmen junger Menschen in der Corona-Pandemie vermehrt berücksichtigt werden. Sie schlagen eine Art Beirat zur Corona-Taskforce vor.
Es wurde sogar die Forderung laut, Jugendliche sollten gleich in der Taskforce selber mitreden. Das jedoch findet der Wissenschaftshistoriker Caspar Hirschi keine gute Idee.
SRF News: Wäre es sinnvoll, wenn Jugendliche direkt in der Taskforce Einsitz nehmen würden?
Caspar Hirschi: Nein, das geht nicht. Denn die Covid-Taskforce ist keine Interessenvertretung verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen. Sie ist eine wissenschaftliche Expertengruppe, welche die Politik berät.
Ist der Vorschlag eines Beirats zur Taskforce, in dem die Jugendlichen mitreden könnten, besser?
Das Anliegen, dass die jungen Menschen vor Pandemie-Entscheiden auch angehört werden, ist sicher berechtigt. Aber ob es gleich ein Beirat zur Taskforce sein muss, bezweifle ich.
In der Taskforce selber sitzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Disziplinen. Doch die Sozialwissenschaften wie Psychologie und Soziologie sind untervertreten. Wird die Zusammensetzung der Komplexität der Coronakrise gerecht?
Es dominieren in der Taskforce die Natur- und Medizinwissenschaften, aber auch die Wirtschaftswissenschaft ist stark vertreten. Und in der Tat haben einzelne, in der Krise eigentlich wichtige Disziplinen wie Soziologie oder Psychologie – dazu gehört auch die Jugendpsychologie – eine eher marginale Bedeutung.
Eigentlich wichtige Disziplinen wie Soziologie oder Psychologie haben in der Taskforce eine eher marginale Bedeutung.
Immerhin: Im Verlauf der Pandemie ist der Fächer der Experten etwas geöffnet worden. So erhielt mit Stefan Wolter etwa ein renommierter Bildungsforscher Einsitz in der Taskforce – das mag mit dazu beigetragen haben, dass in der Schweiz die Schulen wenn immer möglich offengehalten wurden. Auch lässt das darauf hoffen, dass bei zukünftigen Pandemien noch mehr Disziplinen mit am Tisch sitzen werden.
Wie müsste die Taskforce zusammengesetzt sein, wenn man noch mehr Disziplinen berücksichtigen möchte?
Einfach ist das nicht. Schon jetzt prallen in der Taskforce innerhalb einer einzigen Disziplin wie der Epidemiologie unterschiedliche Meinungen aufeinander. Wenn man eine Expertengruppe extrem multidisziplinär aufbaut, kann es sein, dass der kleinste gemeinsame Nenner der Experten so schmal ist, dass die Politik kaum mehr etwas damit anfangen kann.
Man könnte herausstreichen, dass es verschiedene Disziplinen gibt, die einen Anspruch auf Relevanz haben.
Wichtig wäre es, dass man die unterschiedlichen Disziplinen einzeln anhört. So erhält man eine soziologische Sicht auf die Pandemie, eine juristische, eine psychologische. So könnte man stärker herausstreichen, dass es nicht einfach «die Wissenschaft» gibt, sondern dass es innerhalb der Wissenschaft verschiedenste Perspektiven gibt, die alle einen Anspruch auf Relevanz haben können.
Ist die Taskforce in der Schweiz aktuell optimal zusammengesetzt – oder sehen Sie Verbesserungspotenzial?
In einer möglichen nächsten Krise sollte man darauf schauen, das Gremium breiter aufzustellen. Die Legitimationsprobleme der aktuellen Taskforce entstanden aber weniger wegen ihrer disziplinären Zusammensetzung als vielmehr wegen der öffentlichen Kommunikation: Normalerweise sollten sich Mitglieder einer beratenden Kommission zurückhalten, ihre persönliche Meinung öffentlich zu äussern. Doch diese Regel wurde bei der Covid-Taskforce über Bord geworfen.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.
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