Angesichts eines russischen Angriffskriegs in Europa wird ein Nato-Beitritt von Finnland und Schweden zusehends wahrscheinlicher. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Nato wird derzeit auch in der Schweiz rege diskutiert.
FDP-Präsident Thierry Burkart hatte vergangene Woche eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik und eine engere Anlehnung an die Nato gefordert. In einem Interview mit dem «Tagesanzeiger» wies er darauf hin, dass die Schweiz sich nicht allein verteidigen könne. Den Beitritt forderte Burkart indes «ganz klar nicht».
Ich könnte mir auch militärische Übungen vorstellen. Ich könnte mir die Ausbildung vorstellen. Ich könnte mir die gemeinsame Luftverteidigung vorstellen.
Nicht nur die FDP, auch GLP und Die Mitte sind für den Ausbau der Kooperation mit dem Militärbündnis. Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger hält gegenüber SRF fest, die Schweiz und die Nato arbeiteten ja bereits zusammen, etwa bei der Friedensförderung oder der Cyberabwehr. Ein Ausbau der Zusammenarbeit könne sie sich durchaus vorstellen. «Ich könnte mir auch militärische Übungen vorstellen. Ich könnte mir auch die Ausbildung und die gemeinsame Luftverteidigung vorstellen.» Einen Nato-Beitritt sieht aber auch Gmür-Schönenberger nicht, wie sie sagt.
SVP, SP und Grüne skeptisch
Gegen mehr Zusammenarbeit mit der Nato – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – sind die SVP, die Grünen und die SP. Sicherheitspolitik sieht für die SP anders aus. SP-Co-Präsident und Nationalrat Cédric Wermuth sagt, die Schweiz kooperiere heute bereits punktuell mit der Nato, was auch in Ordnung sei. Doch einen Nato-Beitritt durch die Hintertür immer näher an die Schweiz heranzubringen, das möchte die Partei nicht.
Was wir nicht möchten, ist, dass wir jetzt durch die Hintertür immer näher an die Nato kommen.
«Ein Militärbündnis ist nicht die erste Option für einen Kleinstaat», so Wermuth. Im Zentrum stehen sollte gemäss dem SP-Co-Chef vor allem eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und die Stärkung des Völkerrechts, sprich: eine Stärkung der UNO.
Umfrage: Zunehmend mehr Personen für Annäherung an Nato
Indes – in der Schweizer Bevölkerung gewinnt die Idee einer Annäherung an die Nato an Beliebtheit. Laut einer repräsentativen Befragung der ETH Zürich sprechen sich wieder mehr Personen für eine Annäherung an die Nato aus. Zuletzt 45 Prozent.
Für die Politologin Stefanie Walter macht es Sinn, wenn sich die Schweiz strategisch neu ausrichtet. «Wir sehen schon seit einiger Zeit geopolitische Verschiebungen, auch eine geänderte Bedrohungslage in der Schweiz.» Und vor diesem Hintergrund sei es sinnvoll, dass die Schweiz darüber nachdenke, mit jenen Staaten, mit denen sie eine Wertegemeinschaft bilde, stärker zusammenarbeiten. «Weil die auch gemeinschaftlich bedroht werden», erklärt Walter.
Es geht hier nicht um einen Nato-Beitritt. Das wäre neutralitätspolitisch und neutralitätsrechtlich heikler.
Doch wäre das in Hinblick auf die Schweizer Neutralität nicht problematisch? Walter erklärt dazu: «Es geht hier nicht um einen Nato-Beitritt. Das wäre neutralitätspolitisch und auch neutralitätsrechtlich heikler. Aber grundsätzlich lässt sich eine Zusammenarbeit in Form von verstärkter Kooperation mit der Neutralität schon vereinbaren.» Die Neutralität habe sich immer auch gewandelt, auch im Kontext geopolitischer Veränderungen.
Eine verstärkte Zusammenarbeit könnte für die Schweiz auch zu mehr Verpflichtungen führen. Deshalb bleibt eine engere Kooperation wohl auch weiterhin politisch umstritten.