Die Drohnenentwicklung nimmt an Fahrt auf. Insbesondere kleinere, sogenannte Kamikaze-Drohnen, kommen im Kriegskontext vermehrt zum Einsatz. Die Schweiz setzt wiederum auf grosse Aufklärungsdrohnen. Vor zehn Jahren bestellte die Armee sechs davon, bis diese allerdings fliegen, werden nochmals Jahre vergehen. Die Eidgenössische Finanzkontrolle spricht diese Woche von Beschaffungsproblemen. Der Drohnen-Experte und ETH-Professor Roland Siegwart ordnet ein.
SRF: Welche Funktion haben solche grossen Aufklärungsdrohnen?
Roland Siegwart: Typischerweise sind Aufklärungsdrohnen dazu da, Luftaufnahmen zu machen. Sie können zum Beispiel für den Grenzschutz eingesetzt werden, was auch im Kriegsfall wichtig ist. Theoretisch könnte man die grossen Drohnen – ähnlich wie Kampfflugzeuge – bewaffnen. Allerdings müsste dafür viel zusätzliche Technologie an der Drohne befestigt werden, was aufwändig ist und die Flugfähigkeit beeinträchtigt.
In der Ukraine kommen vor allem kleinere Drohnen zum Einsatz – sind grosse Drohnen noch zeitgemäss?
Im Aufklärungsbereich werden grosse Drohnen künftig vermutlich weniger häufig eingesetzt. Es hat sich gezeigt, dass kleinere Drohnen schon jetzt viele der Aufgaben übernehmen und grosse Drohnen ersetzen können. Diese Entwicklung nimmt an Fahrt auf.
In der Schweiz wird es zu einem Umdenken kommen müssen.
Sollte die Schweiz künftig also stärker auf kleinere Drohnen setzen?
Ja. Die Schweiz ist in Sachen Drohnentechnologie weltweit vorne dabei, wir haben viel Wissen und eine gute Forschung in dem Bereich. Wir haben zum Beispiel eine Drohne mit eingebauten Solarpannels entwickelt, die fast durchgehend in der Luft bleiben kann. Die Frage ist jetzt, was man mit diesem Wissen macht. Der internationale Trend ist klar: hin zu kleineren Drohnen, auch im militärischen Kontext. Da wird jetzt viel passieren, weil enorm viel Geld investiert wird. In der Schweiz wird es deshalb zu einem Umdenken kommen müssen.
Hat die Schweiz den Zug schon verpasst?
Die Schweiz kann nicht im Alleingang irgendwelche Militärdrohnen entwickeln, wir müssen das im Verbund tun. Und zwar, weil andere Player, wie die USA oder die Nato, ein Vielfaches an Mittel dafür aufwenden können. Da können wir allein nicht mithalten. Gleichzeitig tut sich die Schweiz in Sachen Kooperationen schwer. Da werden sich also früher oder später politische Fragen stellen.
Da stellen sich natürlich ethische Fragen.
Auch andere politische Fragen stellen sich: Soll die Armee bewaffnete Drohnen einsetzen dürfen?
Bis jetzt gilt: Autonome Waffensysteme dürfen nicht autonom entscheiden können, zu töten. Es braucht also immer eine Person, die den direkten Befehl dafür gibt. Aber dieses Prinzip wird bei kleineren Drohnen in Zukunft nicht mehr immer möglich sein. Künftige Drohnenmodelle werden nicht mehr auf die Verbindung mit einer Zentrale angewiesen sein. Diese Drohnen werden autonom an ein Ziel fliegen und – via Kameraaufnahme – möglicherweise auch autonom entscheiden, wen sie töten. Da stellen sich natürlich ethische Fragen, ob ein Land das erlauben will.
Im Moment beschäftigt die Schweiz, was mit den grossen Aufklärungsdrohnen passiert. Wenn diese in einigen Jahren tatsächlich fliegen, wie gross ist das Risiko, dass sie überholt sein werden?
Dieses Risiko ist da. Früher konnte man gewisse Komponenten nur an grosse Drohnen befestigen, heute werden die Technologien immer kleiner und können deshalb auch von kleineren Drohnen getragen werden. Natürlich ist die Qualität bei grösseren Komponenten besser, aber das ist eine Frage der Zeit.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.