Nein, ein harmloses Kaffeekränzchen sei die Sitzung zur Departementsverteilung nicht, sagt alt Bundesrat Samuel Schmid. Aber hat er dabei Wutausbrüche oder gar Tränen erlebt? «Nein», schmunzelt Schmid. Und fügt an: «Das gab es vielleicht im Nachhinein, das ist schon möglich. Aber im Bundesratszimmer gab es das nicht.»
Während seiner Zeit im Bundesrat habe es derartige emotionale Ausbrüche nicht gegeben, glaubt Schmid. Aber: «Man weiss ja nie ...» Dieser Nachsatz belegt, dass es eben doch um viel geht bei der Departementsverteilung. Gewisse Departemente gelten als wichtiger und sind beliebter als andere.
Bundesrätliche Vorsondierungen
Dennoch werde hinter verschlossenen Türen nicht gefeilscht wie auf einem Basar, sagt alt Bundesrat Adolf Ogi. Denn das Wichtigste spiele sich vor der Sitzung ab: «Es ist ganz sicher richtig, wenn man im Vorfeld der Departementsverteilung mit allen sechs anderen Bundesräten spricht. Es geht darum, vorzufühlen, wie sich die Situation entwickeln könnte und ob es Probleme gibt.»
Wer ein bestimmtes Departement wolle, der spreche vorher mit den Bundesratskolleginnen und -kollegen, um seine Chancen zu sondieren. Die Sitzung werde dann von der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten geleitet, erzählt der ehemalige Verteidigungsminister Samuel Schmid: «Der Präsident stellt in der Reihenfolge der Anciennität die Frage, ob Anträge für einen Wechsel gestellt werden.» Eigentliche Ansprüche gebe es allerdings nicht. Denn am Ende entscheidet die Mehrheit.
Meist läuft es in Minne ab
Wer also schon länger im Bundesrat sitzt, darf seine Wünsche zuerst äussern. Aber wählen kann man nicht, nur wünschen. Das Gremium entscheide dann gemeinsam, wie die Departemente verteilt werden. Meist laufe dies in Minne ab – aber nicht immer.
Etwa 1993, als die CVP-Bundesräte Arnold Koller und Flavio Cotti beide unbedingt das Aussendepartement wollten und sich nicht einigen konnten, wie der ehemalige SVP-Bundesrat Ogi beschreibt: «Wir fünf entschieden ohne die beiden, die sich nicht einigen konnten. Das war keine einfache Situation.» Am Ende bestimmte eine knappe Mehrheit, dass Cotti Aussenminister werden durfte.
Man muss funktionieren wie ein Hotelier: Alle Gäste, das heisst alle Bundesräte, sollten zufrieden sein, wenn man aus der Sitzung herauskommt.
Doch im Allgemeinen sei das Ziel immer eine Lösung, mit der alle leben könnten, meint der langjährige SVP-Bundesrat Samuel Schmid, der schliesslich als BDP-Bundesrat abtrat. Das Kollegium versuche es zu vermeiden, jemanden in ein Departement zu zwingen: «Man straft nicht ohne Not eine Kollegin oder einen Kollegen ab. Denn später kann es immer wieder Situationen geben, in denen man auf andere angewiesen ist.»
Adolf Ogi, Schmids Vorgänger als Verteidigungsminister, teilt diese Sichtweise. So sagt der ehemalige SVP-Bundesrat Ogi über die Rolle des Sitzungsleiters: «Man muss funktionieren wie ein Hotelier: Alle Gäste, das heisst alle Bundesräte, sollten zufrieden sein, wenn man aus der Sitzung herauskommt.»
Wie zufrieden die aktuellen Bundesrätinnen und Bundesräte aus ihrer Sitzung kommen, werden wir wohl schon heute erfahren. Dann wird sich zeigen, wie geschickt Bundespräsident Ignazio Cassis seine Rolle als Hotelier und Sitzungsleiter gespielt hat.