Wüssten Sie, welche Farbe die meisten Kühe im Muotatal haben? Oder könnten Sie zwei Tierarten nennen, die im Tierpark Goldau leben? Falls Sie in Muotathal oder Arth den Schweizer Pass beantragen wollen, wäre dies von Vorteil. Denn diese Fragen könnten Ihnen im Einbürgerungsverfahren begegnen.
Dass es in Schwyzer Gemeinden auf dem Weg zum Pass zuweilen tierisch bis kurios zu- und hergeht, zeigt nun eine Recherche des «Freier Schweizer». Die Lokalzeitung hat – gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip – alle 30 Schwyzer Gemeinden um Einblick in deren Fragenkatalog gebeten.
Spitzfindigkeiten sind fehl am Platz
In Fachkreisen lassen die Resultate aufhorchen. «Es gibt einige Fragen, die so nicht zulässig sind», sagt Barbara von Rütte auf Anfrage. Die Rechtsanwältin arbeitet am Europainstitut der Universität Basel und forscht zum Thema Bürgerrecht. «Fragen, wie jene nach der Fellfarbe der Kühe zum Beispiel, auf die es auch keine eindeutig richtige Antwort gibt, sind problematisch.»
Aufschlussreich ist für von Rütte auch das Beispiel aus Arth. «Die Recherche zeigt, dass die Gemeinde nach wie vor sehr spitzfindige Fragen stellt.» Und dies, obwohl das Bundesgericht die Schwyzer Gemeinde 2019 für ihre Einbürgerungspraxis gerügt hatte. Sie wollte einem damals seit 30 Jahren in der Schweiz lebenden Italiener den Pass verweigern, weil er unter anderem nicht gewusst hatte, dass Bären und Wölfe im Tierpark im gleichen Gehege leben.
Die Einbürgerung ist kein Privileg, sondern ein Verwaltungsakt.
Gerade solche Spitzfindigkeiten allerdings hätten «im Einbürgerungsverfahren keinen Platz», heisst es im besagten Entscheid des Bundesgerichts. Bei der Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen handle es sich «nicht um ein Fachexamen». Es dürfe nicht mehr verlangt werden, «als auch von einem durchschnittlichen Schweizer mit Wohnsitz in der Gemeinde vernünftigerweise erwartet werden dürfte».
Weiterführende Informationen
Dies betont auch Barbara von Rütte. Wer die Voraussetzungen erfülle, soll eingebürgert werden. «Die Einbürgerung ist weder ein politischer Entscheid noch ein Privileg, sondern ein Verwaltungsakt.» Fragenkataloge per se seien nicht verboten. «Aber sie dürfen nicht zu einem verkappten, zweiten Wissenstest führen.» Gemäss Bundesrecht sei nur ein Test in Staatskunde vorgesehen.
Gemeinden überdenken Fragenkataloge
Mehrere Gemeinden überarbeiten derzeit ihren Fragenkatalog. «Allerdings weder aufgrund des Bundesgerichtsurteils noch wegen des Zeitungsberichts», sagt Daniela Schuler, Gemeindeschreiberin von Rothenthurm mit rund 2500 Einwohnerinnen und Einwohnern, auf Anfrage.
In deren Katalog aufgeführt ist unter anderem die Frage, «ob es noch mehr Zuwanderung in die Schweiz geben sollte». Und von Musliminnen und Muslimen will man wissen, wie man sich dazu stelle, «dass Mädchen den Schwimmunterricht besuchen müssen».
Weil der Katalog «veraltet» sei, überlegt sich auch Unteriberg, über die Bücher zu gehen. Denn obwohl in der Schweiz die Doppelbürgerschaft erlaubt ist, liest man da: «Wenn Sie sich für einen der beiden Pässe entscheiden müssten, für welchen würden Sie sich entscheiden?» Oliver Bowald, Gemeindeschreiber von Unteriberg, sagt: «Die Frage wird so nicht gestellt, weil es uns nichts angeht.»
Dennoch: Ganz auf den Katalog zu verzichten, ist für die Gemeinde mit knapp 2500 Einwohnerinnen und Einwohnern keine Option. «Wenn wir in einem Gespräch nicht mehr weiterwissen, könnten wir notfallmässig auf den Fragenkatalog zurückgreifen.»