Weihnachten ist das Fest der Liebe. Viele verbringen diese besinnliche Zeit mit ihren nächsten Angehörigen; mit Kindern, Freundinnen und Freunden, der Partnerin oder dem Partner.
Das ist die schöne Seite der Geschichte. Doch es gibt auch eine andere, denn in der Schweiz sind viele Menschen einsam. Schon vor Corona publizierte das Bundesamt für Statistik eine Umfrage, wonach sich 38 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahren einsam fühlten. Eine Studie der Universität Bern hat ergeben, dass die Pandemie dieses Gefühl nochmals verstärkt hat.
Klaus Rütschi ist Vizepräsident der Dargebotenen Hand Schweiz und Geschäftsführer der Zentralschweizer Sektion. Die Regionalstelle bedient die Kantone Luzern, Zug, Ob- und Nidwalden, Uri und Schwyz. Im Gespräch beschreibt er, wieso immer mehr Menschen anrufen und wie man das Gefühl der Einsamkeit lindern kann.
SRF News: Die Festtage stehen bevor. Was bedeutet das für die Dargebotene Hand?
Klaus Rütschi: Um die Weihnachtszeit verzeichnen wir in der Zentralschweiz deutlich mehr Anrufe. In normalen Monaten sind es so zwischen 800 und 900. Nun sind es rund 1100 Gespräche, welche unsere Mitarbeitenden führen. Der Anstieg beginnt schon im November, wenn das Wetter grauer und die Tage dunkler werden. Im Dezember gibt es aber eindeutig eine Spitze.
Welche Themen werden besprochen?
Die Betroffenen beschäftigen Beziehungskrisen, Stress und die hohe Erwartungshaltung vor Weihnachten. Sehr oft angesprochen wird das Thema Einsamkeit.
Sehr oft angesprochen wird das Thema Einsamkeit.
Vielleicht, weil der Partner oder die Partnerin gestorben ist, vielleicht, weil die Kinder ausgezogen sind und Weihnachten woanders feiern. Gemeinsam haben die Fälle, dass das Umfeld fehlt – und genau dies an Weihnachten besonders spürbar wird.
Wie helfen Ihre Mitarbeitenden diesen Personen?
Sie hören vor allem zu und versuchen, nach Lösungen zu suchen. Dabei stehen die Ressourcen der Menschen im Mittelpunkt. Wir fragen uns: Welche Möglichkeiten hat die betroffene Person? Es kann beispielsweise sein, dass sie beeinträchtigt ist, vielleicht wegen des Alters, einer Krankheit oder wegen finanziellen Engpässen.
Wichtig ist sicher, dass man unter die Leute geht. Es gibt beispielsweise offene Weihnachtsfeiern, die man spontan besuchen kann. Oder man wird sich wieder den eigenen Interessen bewusst und tut sich etwas Gutes.
Zuerst die Pandemie, nun der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen. Die gegenwärtige Zeit ist von Krisen geprägt.
Und das spüren wir. Haben vor 2020 noch vier bis fünf Personen pro Stunde angerufen, sind es jetzt bis zu 16. In diesem Kontext sprechen wir auch über Atomdrohungen aus Russland oder die höheren Lebenshaltungskosten und die damit einhergehenden Existenzängsten. Vor allem scheint derzeit keine Abschwächung in Sicht, was zuweilen hoffnungslos macht.
Die Gespräche sind auch nicht nach fünf Minuten beendet, sondern dauern durchschnittlich etwa 25 Minuten. Wir sind stark ausgelastet und haben deshalb unsere Kapazitäten erhöht. 2020 arbeiteten für die Sektion Zentralschweiz noch 47 Personen. Nun sind es bereits über 60. Und 13 weitere absolvieren derzeit unsere einjährige Ausbildung.
Gibt es etwas, das man im Alltag tun kann, um den Betroffenen zu helfen?
Natürlich. Nur schon, wenn wir uns füreinander etwas Zeit nehmen, kann das sehr guttun. Ein kleiner Schwatz mit dem Nachbarn, ein kurzes Gespräch an der Kasse beim Einkaufen. Eine kleine Geste kann viel bewirken, denn eigentlich sind wir alle ein bisschen die Dargebotene Hand.
Das Gespräch führte Pascal Studer.