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Einsitz im UNO-Sicherheitsrat «Die Schweiz wurde als ‹schaffig› wahrgenommen»

Zwei Jahre sass die Schweiz mit am Tisch der Mächtigen als Mitglied des UNO-Sicherheitsrates. Der Einsitz war innenpolitisch umstritten, die Sorge um die Neutralität gross. Die Politologin Sara Hellmüller hat die Arbeit der Schweiz in New York wissenschaftlich dokumentiert – und zieht Bilanz.

Sara Hellmüller

Senior Researcer am Center for Security Studies der ETH

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Dr. Sara Hellmüller ist leitende Forscherin am Zentrum für Sicherheitsstudien der ETH Zürich.

SRF News: Die Schweiz war eines von zehn gewählten Ländern neben den fünf ständigen Mitgliedern und Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien. Hatten die gewählten Länder überhaupt etwas zu sagen neben den fünf ständigen Mitgliedern?

Sarah Hellmüller: Gerade in dieser weltpolitischen Situation, wo sich die Grossmächte immer schlechter verstehen, werden sie zu wichtigen Brückenbauern und können vermittelnd agieren. Die Schweiz hat zum Beispiel versucht, deeskalierend zu wirken, so hat sie etwa immer wieder zu einem respektvollen Umgang untereinander aufgerufen.

Die Schweiz wurde regelrecht dafür bekannt, dass sie in fast jeder Stellungnahme das Völkerrecht in Erinnerung gerufen hat.

Wo konnte die Schweiz konkret Brücken bauen?  

In Dossiers, die blockiert waren, hat sie versucht, das humanitäre Völkerrecht einzubringen. Die Schweiz wurde regelrecht dafür bekannt, dass sie in fast jeder Stellungnahme das Völkerrecht in Erinnerung gerufen hat. Im Mai 2024 hat sie auch eine Resolution selbst eingebracht, in der es darum geht, humanitäres und UNO-Personal in Konflikten besser zu schützen.

Wenn eine Resolution verabschiedet wird, heisst es noch nicht, dass sie auch eingehalten wird.

Absolut. Viele Resolutionen werden gar nicht erst verabschiedet wegen eines Vetos, und wenn sie angenommen werden, werden sie leider oft nicht eingehalten.

Schweizer Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat.
Legende: Ab Januar 2025 ist die Schweiz wieder ein ganz normales Mitglied der Vereinten Nationen. Ihre zweijährige Mitgliedschaft im mächtigsten UNO-Gremium, im Sicherheitsrat, endet. Keystone/Alessandro della Valle

Welche Schwerpunkte hat die Schweiz sonst noch gesetzt?

Ein anderer Schwerpunkt war «Frauen, Frieden, Sicherheit». Da gibt es eine Resolution, welche dazu aufruft, Frauen und Mädchen in Konflikten besser zu schützen. Die Schweiz hat mit Sierra Leone zusammen den Vorsitz einer informellen Expertengruppe übernommen. Da wurde zum Beispiel geschaut, dass bei der Erneuerung von Friedensmissionen dazu aufgerufen wird, die Teilnahme von Frauen am Friedensprozess zu fördern.

Neutralität heisst nicht, keine Position zu beziehen, die Positionen der Schweiz basieren auf der Verfassung oder auf dem Völkerrecht.

Ein anderer Schwerpunkt war die Klimasicherheit. Dabei ging es in erster Linie darum, dass das Thema nicht von der Agenda verschwindet, denn einige Mitglieder des Sicherheitsrates erachten den Klimawandel als nicht sicherheitsrelevant.

Ausgetrocknete Savanne in Afrika.
Legende: Auch beim Thema Klimasicherheit hat die Schweiz den Vorsitz einer informellen Expertengruppe übernommen, zusammen mit Mosambik. Keystone/OBS/Caritas

Das Mandat der Schweiz war im Vorfeld umstritten, vor allem wegen der Sorge um die Neutralität. War diese aus heutiger Sicht berechtigt?

Nach zwei Jahren Mitgliedschaft sehen wir, dass eine Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat mit der Neutralität der Schweiz gut vereinbar ist. Neutralität heisst nicht, keine Position zu beziehen, die Positionen der Schweiz basieren auf der Verfassung oder dem Völkerrecht. Darum war der Einsitz im Rat kompatibel mit der Neutralität.

In zwei Fällen wurde das Parlament in Bern bei Entscheidungen miteinbezogen, beim Beschluss zu einer Polizeitruppe für Haiti und bei der Frage, ob Palästina als Vollmitglied anerkannt werden soll. Die Konsultationsprozesse haben gut funktioniert und man hat eine Einigung gefunden.

Konnte die Welt von der Schweiz als Mitglied im Sicherheitsrat profitieren?

Sie hat sich stark für den Multilateralismus eingesetzt, für die regelbasierte Ordnung. Sie konnte auch ihre Rolle in der Aussenpolitik stärken und konnte zeigen, dass sie fähig ist, ein effizientes Mitglied vom Sicherheitsrat zu sein. Von anderen Mitgliedstaaten höre ich, dass die Schweiz als sehr «schaffig» wahrgenommen wurde, als ein aktives Mitglied. Das wurde geschätzt.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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Tagesgespräch, 17.12.2024, 13 Uhr ; 

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