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Schweiz im UNO-Sicherheitsrat Zwei Jahre am Tisch der Mächtigen – was bleibt?

Erstmals sass die Schweiz im mächtigsten UNO-Gremium, im Sicherheitsrat. Ende Monat ist Schluss. Was hat die Schweiz erreicht? Wo ist sie gescheitert?

Das Aussenministerium in Bern will erst im Januar Bilanz ziehen. Sie wird grossmehrheitlich positiv ausfallen. Das ist nicht nur Selbstlob, sondern lässt sich begründen. Wohlwollend äusserten sich bereits Mitglieder der aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat. Die Zusammenarbeit zwischen dem EDA und dem Parlament verlief offenbar reibungslos.

Gute bis sehr gute Noten für die Schweiz

Vier thematische Ziele hatte sich die Schweiz gesetzt: Friedensförderung, Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, Klimasicherheit und mehr Effizienz im Sicherheitsrat. Sie hat sich für all das eingesetzt. Allerdings operiert der UNO-Sicherheitsrat derzeit im ständigen Krisenmodus. Blutige Konflikte – Ukraine, Gaza, Sudan – stehen im Vordergrund. Da blieb wenig Raum für von einzelnen Ländern eingebrachte Akzente.

Viel Applaus gibt es von aussen. Fast unisono von anderen Mitgliedsländern, von Denkfabriken und NGOs: Die Schweiz habe sich konsequent für das Völkerrecht, besonders für das humanitäre Kriegsvölkerrecht eingesetzt. Sie habe sich konstruktiv verhalten und sei stets transparent gewesen. Und sie habe oft die zehn nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats zusammengebracht und ihnen so mehr Gewicht verschafft. Was umso wichtiger ist, als derzeit die ständigen Mitglieder mit Vetorecht häufig gespalten sind.

Ein Erfolg gleich zu Beginn

Gleich mehrere Bundesräte traten mehrfach in New York auf und unterstrichen damit, dass sich die Schweiz engagieren will. Manche hätten sich von ihnen markigere Positionsbezüge gewünscht. Doch solche hätten bestenfalls das Schweizer Heimpublikum beeindruckt. Die Sicherheitsratsmitglieder ändern ihr Abstimmungsverhalten nicht wegen einer pointierten Bundesratsrede.

Zumindest kleine konkrete Erfolge kann sich die Schweiz ans Revers heften. Den ersten schon in den allerersten Tagen im Sicherheitsrat. Unter Schweizer Federführung kam eine Resolution zustande, welche die direkte humanitäre Hilfe – ohne Umweg übers damalige Assad-Regime – nach Nordsyrien verlängerte. Ein weiterer war die Resolution zum Schutz humanitärer Helfer. Oder dass sich, koordiniert von der Schweiz, die zehn gewählten Sicherheitsratsmitglieder gemeinsam einsetzten für eine Waffenruhe in Gaza.

Eine solche Chance kommt so bald nicht wieder

Ob der Sicherheitsrat erfolgreich wirkt oder nicht, wird mit zunehmender Distanz zum UNO-Glaspalast skeptischer beurteilt. In der UNO-Blase freut man sich bereits, wenn sich der Sicherheitsrat überhaupt auf Resolutionen einigt. Vor Ort im Terrain ist jedoch entscheidend, ob die Resolutionen des Sicherheitsrats für die Bevölkerung vor Ort tatsächlich Positives bewirken. Ob humanitäre Hilfe ankommt, Waffenstillstände funktionieren, Blauhelmoperationen die Zivilbevölkerung schützen, Frieden einkehrt. Das sind ganz andere Massstäbe. Entsprechend unterschiedlich fallen die Zensuren aus.

Jene für die Schweiz sind erfreulich. Sie ist weltpolitisch sichtbarer geworden, hat sich Respekt verschafft und sich keine Pannen geleistet. Das kommt auch dem Genfer UNO-Sitz zugute und dem eigenen Renommee. Damit endet ein wichtiges Kapitel der Schweizer Aussenpolitik. Die nächste Gelegenheit für ein Land von der Grösse der Schweiz für einen Einsitz im Sicherheitsrat bietet sich erst wieder in etwa zwei Jahrzehnten.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Echo der Zeit, 16.12.24, 18 Uhr

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