Der Bundesrat hat die letzten Corona-Massnahmen aufgehoben: Am 1. April ist die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr gefallen, Infizierte müssen sich nicht mehr isolieren. Was bedeutet dies für den Arbeitsalltag? Arbeitsrechtsexpertin Nicole Vögeli Galli gibt Auskunft.
SRF News: Darf oder muss ich mit leichten Corona-Symptomen künftig wieder arbeiten gehen?
Nicole Vögeli Galli: Ja, denn die Isolationspflicht ist aufgehoben. Dabei gilt, dass man die Hygienevorschriften einhält, wie bei einer Grippe auch. Und dass man aus Eigenverantwortung vielleicht eine Maske trägt.
Darf ich im Falle einer Infektion auf Homeoffice oder einen Arbeitsplatz mit Abstand bestehen?
Grundsätzlich nicht – vor der Pandemie hatten wir diese Ansprüche ja auch nicht. Und wir müssen uns bewusst sein: Irgendwo wird immer jemand husten. Ausnahmen sind möglich, beispielsweise, wenn jemand zu den vulnerablen Personen zählt oder sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann.
Darf mich mein Chef zum Testen schicken?
Auch das hängt vom Einzelfall ab. Wenn im Arbeitsumfeld Kontakte mit vulnerablen Personen stattfinden, wäre es wichtig zu wissen, ob bei Mitarbeitenden eine Infektion vorliegt. Das gilt nicht nur für Corona, sondern für alle Infekte, die Drittpersonen gefährden könnten.
Wenn wir vulnerable Personen im Arbeitsumfeld haben, wäre es wichtig zu wissen, ob bei Mitarbeitenden eine Infektion vorliegt.
Muss ich dem oder der Vorgesetzten ein positives Testergebnis melden?
Aus meiner Sicht nur dann, wenn wir vulnerable Personen im Arbeitsumfeld haben. Früher hätte ich dem Arbeitgebenden eine Erkältung auch nicht gemeldet.
Darf die Arbeitgeberin ein Arztzeugnis verlangen?
Ja, seit dem 1. April unterscheiden wir nur noch: Sind wir arbeitsfähig oder nicht? Das heisst, wenn ich nicht zur Arbeit erscheinen möchte, müsste ich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, die Arbeit zu verrichten. Wenn mir ein bisschen der Hals kratzt, genügt das nicht.
Was heisst das für den Lohnanspruch?
Wenn ich arbeitsunfähig bin, habe ich Lohnanspruch und darf zu Hause bleiben. Wenn der Arbeitgebende als Übergangslösung entscheidet, dass positiv Getestete zu Hause bleiben, haben sie diese Arbeitnehmenden jedoch zu entlöhnen.
Unter welchen Umständen können Arbeitgebende weiterhin auf ein Covid-Zertifikat bestehen oder eine Maskenpflicht verhängen?
In sehr sensiblen Umgebungen, etwa im Gesundheitsbereich, in Pflegeinstitutionen, vielleicht auch in Schulen, ist eine Zertifikatspflicht vorstellbar. Die Maske könnte – zumindest in einer Übergangsphase – eine zulässige Gesundheitsschutzmassnahme sein. Bevor solche Massnahmen aber eingeführt werden, muss das Personal dazu befragt werden.
Sie erhalten aktuell viele Anfragen von Arbeitgebern und -nehmern – was raten Sie?
Die Unsicherheit ist auf beiden Seiten gross. Arbeitgebende sollten sich für die Übergangsphase überlegen, wie sie es handhaben wollen – ob sie etwa eine Meldung über positive Testergebnisse möchten.
Arbeitgebende sollten sich für die Übergangsphase überlegen, wie sie es handhaben wollen – ob sie etwa eine Meldung über positive Testergebnisse möchten.
Vulnerablen Arbeitnehmenden empfehle ich, das Gespräch zu suchen. Allerdings müssen jene Personen dann beispielsweise Grunderkrankungen offenlegen. Das ist für Betroffene nicht einfach. Und wer aus Selbstschutz eine Maske trägt, muss mit Fragen rechnen.
Glauben Sie, in puncto Gesundheitsschutz ist die Sensibilität bei Arbeitgebenden gestiegen?
Ich hoffe es. Viele von uns haben sich früher noch halbtot ins Büro geschleppt und es gab vermutlich viele Erkältungen und Grippefälle, die sich hätten vermeiden lassen – und damit auch Ausfälle. Insofern würde ich mir wünschen, dass wir da vorsichtiger werden.
Das Gespräch führte Evelyne Fischer.