Der Kanton Solothurn versteht sich als Brückenkanton zwischen der West- und der Deutschschweiz. Französisch hat hier einen höheren Stellenwert als zum Beispiel im Nachbarkanton Aargau. Gerade in der Solothurner Stadt Grenchen ist Französisch dank der Uhrenindustrie präsent. Doch die französische Sprache werde in der Uhrenstadt immer weniger wichtig, sagt die reformierte Kirchgemeinde und verzichtet – nach über 130 Jahren – auf französische Gottesdienste.
Die zweite Schweizer Landessprache Französisch war einmal sehr wichtig in Grenchen oder «Granges», wie die Uhrenstadt auf Französisch heisst. Lange waren es die Uhrmacher, die vom neuenburgischen und bernischen Jura in den Kanton Solothurn kamen und dort Arbeit fanden, später in der Elektronik in Solothurn und der Elektromechanik in Zuchwil.
Noch heute arbeiten Uhrenfachleute in Grenchen, nur wohnen sie nicht mehr hier. Sie pendeln vermehrt in ihre französischsprachige Heimat.
Tradition endet nach über 130 Jahren
Auch deshalb gibt die reformierte Kirchgemeinde ihre französischen Gottesdienste auf, schreibt sie: «Unsere Kirchgemeinde muss den traurigen Entscheid zur Einstellung ihrer Aktivitäten fällen. Es ist das Ergebnis eines wirtschaftlichen Wandels, welcher sich am Ende des 20. Jahrhunderts im Kanton Solothurn vollzogen hat.»
Wie bei allen Kirchgemeinden hängt der Entscheid auch mit der Überalterung der Gemeindemitglieder zusammen, schreibt der Kirchgemeinderat weiter. Das sei das Ende der französischsprachigen Sektion der «Paroisses réformées de la Plaine de l’Aar» (Reformierte Kirchen der Aare-Ebene).
Man kann leider nicht viel dagegen machen.
Das französische Pfarrpensum sei vor ein paar Jahren noch ein 100-Prozent-Amt gewesen, nun seien es noch 10 Prozent, sagt Jean-Michel Notz. Der Romand wohnt seit 37 Jahren in Grenchen und ist Mitglied der reformierten Kirche. Pro französischem Gottesdienst zähle man noch 20 bis 30 Besuchende.
Von der Kraft zur Randerscheinung?
«Französisch ist im Kanton Solothurn auf dem Rückzug», sagt Eric de Bernardini, Präsident der französischen Sektion der Paroisses réformées de la Plaine de l’Aar. Ende der 50er- und 60er-Jahre gingen er und seine Frau in der Hauptstadt Solothurn auf Französisch einkaufen. Zudem gab es dutzende französische Theateraufführungen, erzählt er. Heute sei das anders.
«Wir waren eine Kraft, die Leute haben gerne Französisch gelernt mit uns.» Bernardini bedauert das Ende der französischen Gottesdienste: «Man verliert Freunde und Kontakte.»
National läufts gut mit Französisch
Dass Französisch schweizweit dem Untergang geweiht wäre, kann man aus der Solothurner Situation nicht ableiten. Im Gegenteil, zeigen Zahlen vom Bundesamt für Statistik aus dem Jahr 2023.
«Während die Anteile der Landessprachen Deutsch, Italienisch und Rätoromanisch rückläufig sind, hat der Anteil der Landessprache Französisch und der Nichtlandessprachen zugelegt», schreibt das Bundesamt für Statistik. Die beiden am häufigsten gesprochenen Nichtlandessprachen sind übrigens Englisch und Portugiesisch.
Auch in Grenchen wird weiterhin Französisch gesprochen, überraschend viel, findet der in Grenchen wohnhafte Romand Jean-Michel Notz. Die Angestellten der Uhrenindustrie seien tagsüber in Grenchen. Man höre oft Französisch in der Uhrenstadt, beim Einkaufen zum Beispiel. Am Abend allerdings reisen sie wieder heim, einige gar bis nach Frankreich.