Unter den Gewinnern der Auszeichnung Watt d'Or für innovative Zukunftsprojekte ist die Tessiner Gemeinde Lugaggia. Das Herzstück des Solarprojekts im pittoresken 900-Seelen-Dörfchen ist ein Kindergarten – beziehungsweise dessen Dach. Darauf befindet sich eine grosse Fotovoltaikanlage.
ZEV – Zusammenschluss für den Eigengebrauch
«Wir haben zusätzlich noch weitere Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von 18 Einfamilienhäusern», sagt Daniele Farrace nicht ohne Stolz.
Er hat beim kleinen Tessiner Energie-Versorgungsunternehmen AEM das Siegerprojekt bei der Energieauszeichnung Watt d'Or mit vorangetrieben. Alle diese Solardächer tragen zur Stromproduktion für das Dorf bei.
Manche Einfamilienhausbesitzer waren einfach dafür zu begeistern, sich an diesem ZEV – einem Zusammenschluss für den Eigenverbrauch – zu beteiligen. «Andere nicht. Wie das halt so ist», schmunzelt der Wissenschaftler.
Die Hausbesitzer mussten geschult, die Häuser durch Leitungen miteinander verbunden werden. Das sei viel Aufwand gewesen, sagt Farrace.
Grosse Batterie speichert den Solarstrom
Das Hirn der Anlage liegt gut behütet hinter einer Tür im Keller des Kindergartens. Dort befindet sich in einem kleinen Raum eine grosse Batterie, die sogenannte Quartierbatterie. Daneben befindet sich das mit viel künstlicher Intelligenz ausgestattete Steuerungssystem.
Weil der Stromverbrauch der Haushalte mit sogenannten Smartmetern erfasst wird und mit den aktuellen Wetterdaten abgeglichen wird, kann dieses Steuerungssystems vorhersagen, wann wer wie viel Strom verbraucht.
Dadurch könne die vor Ort gesammelte Sonnenenergie optimal verteilt, beziehungsweise genutzt werden, so Farrace.
Fast aller Solarstrom wird jetzt selbst gebraucht
«Unser Ziel war es, zu zeigen, dass man mit einer solchen Quartierbatterie den Eigenverbrauch der vor Ort gesammelten Energie massiv erhöhen kann», sagt er.
Denn während die beteiligten Haushalte früher nur 30 Prozent ihres selbst produzierten Stroms tatsächlich auch selbst verbrauchten, ist der Eigenverbrauch nun auf 94 Prozent gestiegen.
Die Gemeinschaft muss damit weniger Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen. Damit wird der Strom für sie im Durchschnitt rund drei Rappen pro Kilowattstunde günstiger. Für das Energieunternehmen AEM dagegen rechnet sich das Projekt wegen des grossen Aufwands nicht.
Zukunftsweisendes Projekt
Doch Farrace ist sicher, dass sich das in Zukunft ändern wird. Denn mit dem Projekt in Lugaggia sei viel Wissen gesammelt worden, wie die Sonnenenergie von Einfamilienhäusern gebändigt werden kann: «Wenn viel mehr Sonnenenergie dezentral eingefangen wird und vor Ort mithilfe einer Quartierbatterie zwischengespeichert und örtlich verteilt wird, entlastet dies das bestehende Stromnetz massiv.»
Das bestehende Stromnetz wird massiv entlastet.
Die Leitungen würden weniger beansprucht, der Aufwand für Unterhalts- und Sanierungsarbeiten für die Energieunternehmen an den Leitungen würden kleiner und damit weniger teuer. Doch: «Uns ist aber klar, dass das noch Zukunftsmusik ist», betont Farrace.
Dass diese Zukunftsmusik gerade aus der Schweizer Sonnenstube kommt, macht doppelt Sinn: Der Anteil an Einfamilienhäusern ist hier nämlich vergleichsweise hoch, ZEV sind sinnvoll. Zudem wurde hier das Potenzial der Sonnenenergie im schweizerischen Schnitt bisher erstaunlich wenig ausgeschöpft.