Laut Bundesgericht darf die im Vergleich relativ kurze Dauer einer Vergewaltigung – im konkreten Fall je nach Angaben zwischen sechs und elf Minuten – bei der Bestrafung des Täters berücksichtigt werden. Hingegen sei irrelevant, dass das Opfer kurz vorher freiwillig ungeschützten Sex gehabt habe.
Proteste gegen Strafmilderung
Das Basler Appellationsgericht reduzierte die Strafe für einen Vergewaltiger und begründete dies mündlich unter anderem damit, dass die Tat nur elf Minuten gedauert habe. Zudem habe das Opfer mit dem Feuer gespielt und beim Clubbesuch vor der Tat falsche Signale ausgesendet. Daraufhin kam es in mehreren Städten zu Protesten. Vor dem Gericht in Basel versammelten sich rund 500 Personen und hielten elf Minuten schweigend die Arme hoch – so lange, wie die Vergewaltigung höchstens gedauert hatte.
Das ist passiert: Im Februar 2020 ging eine Frau in Basel in den Ausgang. Auf der Toilette einer Bar kam es zu freiwilligen sexuellen Handlungen mit einem Mann. Später auf dem Heimweg wurde sie im Eingang ihres Hauses von zwei anderen Männern vergewaltigt. Die Täter waren 17 und 33 Jahre alt. Der Jüngere drang von hinten vaginal in das Opfer ein, während der Ältere sie zum Oralsex zwang. Danach wechselten die Männer die Position: Der Ältere versuchte vaginal einzudringen, während der Jugendliche dem Opfer ins Gesicht ejakulierte.
Bundesgericht ist differenziert
Jetzt hält das oberste Gericht in einem heute Mittwoch publizierten Entscheid fest: Dass die im Vergleich relativ kurze Dauer der Vergewaltigung bei der Strafe berücksichtigt werde, sei korrekt. Das dürfte bei einigen für Irritierung sorgen. «Der vorliegende Fall ist besonders schwerwiegend und insofern finde ich, die Dauer der Vergewaltigung darf keine Rolle spielen», sagt etwa die SVP-Nationalrätin und Juristin Barbara Steinemann.
Auch das Bundesgericht ist im Ergebnis der Meinung, der Täter müsse in diesem Fall härter bestraft werden, aber aus anderen Gründen: Dass der Jugendliche dem Opfer ins Gesicht ejakuliert habe, sei auch dem Mittäter anzulasten. Und dass das Opfer zuvor freiwillig ungeschützte sexuelle Handlungen mit einem anderen Mann vorgenommen habe, dürfe nicht zu Gunsten des Täters berücksichtigt werden.
«Ich gehe mit dem Bundesgericht völlig einig, dass eine sittlich vielleicht nicht ganz einwandfreie Lebensweise nicht strafmildernd berücksichtigt werden darf», sagt Steinemann. Wie sich ein Opfer verhalte, dürfe keine Rolle spielen. Im Ergebnis heisst das: Der Fall geht zurück an die Vorinstanz und diese muss ein höheres Strafmass festlegen.
Urteil über zweiten Täter noch offen
Was mit dem zweiten Täter passiert, ist noch offen: Das Jugendgericht Basel-Stadt hat ihn im Zweifel für den Angeklagten freigesprochen. Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist vor dem Appellationsgericht Basel-Stadt hängig. Weil jetzt ein höchstrichterliches Urteil über den Mittäter vorliegt, wird das Appellationsgericht wohl bald über den Fall befinden.