Der Lockdown im Frühling hat Opfer gefordert, viele Restaurants leiden noch heute unter den massiven Umsatzeinbussen. Rebekka und Christoph Blaser zum Beispiel mussten Ende August ihr Restaurant im Emmental schliessen und Konkurs anmelden. Dabei hatte der Start im letzten September verheissungsvoll begonnen. Noch im März hatte ihnen der lokale Versicherungsvertreter versichert, Ertragsausfälle bei einer Epidemie seien in ihrer Police abgedeckt.
Zurich Versicherung bezahlt nur Solidaritätsbeitrag
Doch dann lehnt die Zurich Versicherung ab. Sie schreibt: «Wir haben darum in unseren Zusatzbedingungen die Folgen einer Pandemie von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen.» Blasers bekommen lediglich einen sogenannten Solidaritätsbeitrag von 12'500 Franken. Versichert hatten sie aber den Jahresumsatz. «Dieser Solidaritätsbeitrag steht in keinem Zusammenhang mit dem entgangenen Umsatz von 180'000 Franken», kritisiert Christoph Blaser.
Bereits im Mai 2020 hatte «Kassensturz» über verschiedene Versicherungen berichtet, die vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbringen wollten. Sie behaupteten, eine Pandemie sei gemäss den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ausgeschlossen.
Experten sind sich einig: So geht es nicht
Stephan Fuhrer, Professor für Privatversicherungsrecht an der Universität Basel, sagte damals, diese Argumentation sei unhaltbar. Er erklärte, das Gesetz schütze Konsumenten vor überraschenden Klauseln: «Wenn ich eine Epidemieversicherung kaufe, muss ich nicht damit rechnen, dass ich bei einer ganz schlimmen Epidemie keine Leistung bekomme.»
Zum selben Schluss kam der Ombudsman der Privatversicherung und Suva in einem Gutachten. Er rief danach Versicherungsgesellschaften und Versicherte auf, sich gütlich zu einigen.
Und auch Versicherungsexperte Ruedi Ursenbacher von Fairsicherung, der betroffene Wirte berät, beurteilt die Solidaritätszahlungen der Zurich Versicherung als ungenügend. Das sei weit weg von einer gütlichen Einigung.
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Helvetia zeigt sich ebenfalls knausrig
Auch Carlos Ferreira, Besitzer des Restaurants Colombo in Baden, ärgert sich über seine Versicherung, die Helvetia. In den zwei Lockdown-Monaten gingen ihm rund 300'000 Franken Umsatz verloren. Carlos Ferreira hatte bei der Helvetia eine Epidemieversicherung abgeschlossen, doch erhalten soll er nun eine Abfindung von 90'000 Franken – etwa einen Drittel des Schadens.
Dazu will die Helvetia ihm eine neue Police aufzwingen. Sie schreibt: Mit der Annahme dieses Vergleichs akzeptiere der Wirt, dass «Epidemien und Pandemien» künftig «gleichermassen ausgeschlossen» seien. Das lässt sich Carlos Ferreira nicht bieten, er weist das Angebot zurück: «Wenn ich eine Prämie bezahle, dann möchte ich auch eine Leistung erhalten.»
Er hat entschieden, gegen die Helvetia vor Gericht zu ziehen. Leisten kann er sich das nur, weil er eine Rechtsschutzversicherung hat. Sein Anwalt Volker Pribnow vertritt erste Wirte, die gegen ihre Versicherung vor Gericht vorgehen möchten. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess von Carlos Ferreira. Pribnow sagt, der Prozess müsse geführt werden, denn es spreche vieles dafür, dass die Helvetia uneingeschränkt für den Umsatzausfall einstehen muss.
Das Aargauer Handelsgericht wird seinen Fall möglicherweise noch dieses Jahr entscheiden.