Um diese Forderung der EU geht es: Seit 2017 gibt es zwischen der Schweiz und der EU ein Abkommen im Rahmen des automatischen Informationsaustausches AIA. Dieses Abkommen besagt, dass Schweizer Banken steuerrelevante Daten ihrer Kundschaft aus der EU erheben und den jeweiligen Steuerbehörden übermitteln sollen. Auch die Schweiz erhält im Gegenzug solche Daten. Nun soll dieses Abkommen aktualisiert werden, wie die NZZ am Sonntag schreibt. Neu soll die Schweiz nicht mehr nur Daten liefern, sondern auch gleich beim Eintreiben der Steuern helfen, als sogenannte Vollstreckungshilfe. Dies ist unter EU-Staaten bereits üblich.
So reagiert die Schweizer Politik: Bisher hatte die Schweiz solche Forderungen seitens der EU immer abgelehnt, nun zeigt sich der Bundesrat aber offener und konsultiert die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat. Bürgerliche Politiker äusserten sich in der NZZ am Sontag empört zur Forderung der EU. SVP-Nationalrat Franz Grütter erklärte, das so erneuerte Abkommen würde bedeuten, dass die Schweiz fremdes Recht umsetzen müsste, das sei für ihn undenkbar. Politikerinnen der GLP und der SP zeigten sich dagegen offen bis befürwortend – SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sagte, er fände es «absolut richtig», anderen Ländern bei der Bekämpfung der Steuerflucht zu helfen.
Das sagen Steuerrechtsexperten: Peter Hongler von der Universität St. Gallen und Luzius Cavelti von der Universität Basel erklären gegenüber SRF, es sei grundsätzlich ein politischer Entscheid. Steuerrechtsprofessor Peter Hongler sagt aber auch, das Abkommen könnte den grossen Vorteil mit sich bringen, dass im Gegenzug ausstehende Steuerforderungen im Ausland eingezogen werden könnten. Luzius Cavelti bringt insbesondere bei der Besteuerung von Unternehmen entsprechende Vorteile aufs Parkett.
So will die EU ihre Forderung durchbringen: Als Druckmittel bringt die EU ebendiese Unternehmen ins Spiel: Lenkt die Schweiz nicht ein, so will die EU auf ihrem Gebiet gewisse Steuererleichterungen für Schweizer Tochterunternehmen streichen – die Konzern-internen Dividenden. Das käme teuer – geschätzt werden diese zusätzlichen Steuern auf eine dreistellige Millionensumme. Doch auch hier könnte die Schweiz geschickt verhandeln, führt Steuerrechtsprofessor Luzius Cavelti an: «Steuererleichterungen, die aktuell innerhalb der EU gelten, für Konzern-interne Dividenden, könnten auch auf die Schweiz ausgedehnt werden.»
Wer müsste sich warm anziehen? Gemäss Informationen der NZZ am Sonntag will sich der Bundesrat dafür einsetzen, den Kreis der Personen kleinzuhalten, für welche die Schweiz beim Einziehen der Steuerschulden behilflich sein sollte. Die von SRF angefragten Steuerrechtsexperten sehen hier genügend Möglichkeiten – die Höhe der Steuerschuld könnte als Massstab gelten. Oder, ergänzt Luzius Cavelti: «Die Schweiz macht bereits Vollstreckungshilfe für Österreich bei der Grenzgängerbesteuerung.» Man könnte das Ganze auch dahingehend oder auf andere sehr eng umgrenzte Sachverhalte einschränken.