Die Verhandlungen mit der EU dürften am Mittwoch in die entscheidende Phase gehen. In Bern und Brüssel erwarten Involvierte, dass sich der Bundesrat über das Dossier beugt. Der Bundesrat wird aller Voraussicht nach entscheiden, wo er dem Verhandlungsteam für die letzten Verhandlungsrunden Spielraum mitgeben will. SRF-Inlandredaktor Matthias Strasser erklärt, wo die Verhandlungen stehen.
Wo sind sich die Schweiz und die EU uneinig?
Zu reden geben die Zuwanderung und der sogenannte Kohäsionsbeitrag. Das ist Geld, mit dem sich die Schweiz in den wirtschaftlich schwächeren Staaten Osteuropas an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt. Die EU möchte, dass der Betrag erhöht wird und Zahlungsmodalitäten verbindlich in den neuen Verträgen geregelt werden. Kritiker aus der Schweiz sagen, die Schweiz zahle zu viel, sie solle weiter selbst über das Geld entscheiden.
Kann die Schweiz eine Schutzklausel aushandeln?
Das scheint wenig realistisch. Denkbar sind neue Regeln, die für eine beschränkte Zeit oder einzelne Regionen und Branchen Entlastung schaffen. Die Schweiz möchte in den Verhandlungen aber erreichen, dass sie bei Bedarf die Zuwanderung selbstständig einschränken kann. Für die EU dagegen ist die Personenfreizügigkeit ein Grundpfeiler des Binnenmarkts, an dem die Schweiz teilhaben will. Wirksamen und vor allem dauerhaften Beschränkungen der Personenfreizügigkeit dürfte die EU kaum zustimmen.
Wo liegen die Positionen sonst noch auseinander?
Zu reden geben unter anderem die Zulassung von internationalen Bahnunternehmen auf Schweizer Schienen (was die Schweiz ablehnt). Auch neue Rechte für Schweizer Fluggesellschaften in der EU (was die Schweiz möchte) und die gegenseitige Anerkennung von Produkten und Dienstleistungen sorgen für Diskussionen.
Worauf hat sich die Schweiz mit der EU bereits geeinigt?
Weit fortgeschritten sind die Verhandlungen bei den institutionellen Fragen. Da geht es um den Grundsatz, dass die Schweiz Anpassungen des EU-Rechts künftig übernehmen soll, wenn sich das EU-Recht weiterentwickelt (Stichwort dynamische Rechtsübernahme). Ähnlich ist es bei der Rolle des Europäischen Gerichtshofs. Er wird künftig für die Streitbeilegung immer dann relevant, wenn das EU-Binnenmarktrecht betroffen ist. Beide Punkte dürften in der innenpolitischen Debatte in der Schweiz noch zu reden geben.
Wo könnte der Bundesrat nachgeben?
Möglich ist, dass der Bundesrat heute über sogenannte Kreuzkonzessionen entscheidet. Das heisst, er definiert, wo er hart bleibt, wenn er dafür andernorts doch noch ein Zugeständnis erhält. Denkbar ist etwa, dass es im Verkehrsbereich (Land- und Luftverkehr) zu solchen Kompromissen kommt. Die Gewerkschaften befürchten, dass der Bundesrat Zugeständnisse beim Lohnschutz machen könnte, um andernorts etwas zu erhalten.
Wie geht es weiter?
Die EU will die Verhandlungen bis Ende Jahr abschliessen, der Bundesrat auch. Allerdings gelte für die Schweiz «Inhalt vor Tempo». Im Dezember läuft allerdings eine Übergangslösung für die Zusammenarbeit im Forschungsbereich aus. Kommt eine Einigung zustande, wird der Bundesrat den Vertrag dem Parlament vorlegen. Am Ende wird auch das Stimmvolk darüber abstimmen können – bis dahin dauert es aber noch mindestens zwei Jahre.