- 49 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten haben negative Gefühle gegenüber der EU, 28 Prozent positive.
- Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts GFS Bern im Auftrag der SRG.
- Trotzdem befürworten 71 Prozent die laufenden Verhandlungen zur Weiterentwicklung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU.
- Eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten findet die bilateralen Verträge wichtig – vor allem für die Schweizer Wirtschaft.
2024 ist für die Schweizer Beziehungen zu Europa ein wegweisendes Jahr. Der Bundesrat plant den Abschluss der Vertragsverhandlungen mit der EU hin zu einer Modernisierung und Ausweitung der bestehenden bilateralen Verträge.
Die Bilateralen I wurden vor 25 Jahren und die Bilateralen II vor 20 Jahren unterzeichnet. Aus diesem Anlass hat das Forschungsinstitut GFS Bern im Auftrag der SRG im September die Schweizer Stimmberechtigten zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU befragt.
Fast die Hälfte mit negativen EU-Gefühlen
Die Resultate zeigen: 49 Prozent der Stimmberechtigten hegen negative Gefühle gegenüber der EU. Nur 28 Prozent sehen die EU positiv. Die EU-Kritischen sind tendenziell zwischen 40 und 60 Jahre alt, haben keinen Hochschulabschluss und sind misstrauisch gegenüber dem Bundesrat.
Die der EU positiv Gesinnten betonen die EU als Friedensprojekt, die wirtschaftlichen Vorteile und die Einbindung in eine grössere Gemeinschaft. Die EU-Kritischen verbänden die Institution EU mit Bürokratie, erklärt GFS-Politologe Lukas Golder: «Man hat Angst, dass, wenn diese Bürokratie noch mehr Einfluss nimmt, die Souveränität der Schweiz verloren geht und die direkte Demokratie gefährdet ist.»
Über 80 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, die EU sei ein Bürokratiemonster. 66 Prozent finden, die EU sei nicht in der Lage, auf die grossen Herausforderungen der Welt zu reagieren.
SVP-Wählerschaft sieht Nachteile der Bilateralen
Anders sieht die Beurteilung der bilateralen Verträge aus: Viele Befragte finden die Abkommen für die Schweiz (80 Prozent) und deren Wirtschaft (88 Prozent) wichtig. Zudem zieht eine Mehrheit insgesamt eine positive Bilanz zu den Bilateralen.
Die Bilateralen wirklich kritisch sehen vor allem Befragte, die der SVP nahestehen. Über die Hälfte ihrer Sympathisanten sehen eher oder nur Nachteile bei den Abkommen. Begründet wird die kritische Sichtweise mit einer verstärkten Zuwanderung, einer daraus abgeleiteten zusätzlichen Belastung der Sozialwerke, dem Lohndruck sowie steigenden Miet- und Immobilienpreisen.
Und wie sehen die Stimmberechtigten den neuen Anlauf der Schweiz und der EU, die Bilateralen weiterzuentwickeln? Zwar erachtet eine Mehrheit von 71 Prozent das Führen von Verhandlungen aktuell grundsätzlich als richtig. Unklar ist aber, in welche Richtung es gehen soll: Annähernd gleich hohe Anteile wünschen eine Intensivierung respektive Einschränkung der Zusammenarbeit. Auch die Frage der Dringlichkeit neuer Verhandlungen ist stark umstritten.
Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen deuten gemäss GFS darauf hin, dass es an einer klaren Vision oder einem gemeinsamen Zukunftsbild fehlt, wie die Beziehung zur EU gestaltet werden soll.
Insgesamt zeigt die SRG-Umfrage, dass die Haltung des Schweizer Stimmvolkes gegenüber der EU und den bilateralen Verträgen von Gegensätzen und starken politischen Unterschieden geprägt wird. Diesen Samstag jährt sich die Unterzeichnung der Bilateralen II zum 20. Mal.