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EU-Spesenregeln Schweiz könnte Schweizer Spesen verlangen

Die Spesenregeln sind eine Knacknuss in möglichen EU-Verhandlungen. Nun werden verschiedene Stimmen laut, es gehe auch ohne Einigung. SRF-Inlandredaktor Matthias Strasser mit den wichtigsten Antworten auf die Spesenfrage.

Matthias Strasser

Inlandredaktor

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Matthias Strasser ist Inlandredaktor und seit 2019 für Radio SRF tätig. Davor hat der Historiker als Bundeshauskorrespondent für private Radiostationen berichtet. Seine Fachgebiete sind Europapolitik, Verkehr und Migration.

Worum geht es bei den EU-Spesenregeln?

Sie sind Teil der demnächst wohl anstehenden Verhandlungen mit der EU. Grundsätzlich soll das höhere Lohnniveau in der Schweiz geschützt werden. Der Sonderfall der Spesen gibt zu reden, weil in der EU Spesen nach dem Ort bemessen werden, wo Beschäftigte herkommen. Jemand aus Polen erhält also für die Übernachtung in der Schweiz nur den Preis für ein polnisches Hotelzimmer.

Wieso ist das ein Zankapfel?

Gewerkschaften und Arbeitgeberverband kritisieren, der Lohnschutz sei so nicht effektiv. Ausländische Unternehmen mit günstigeren Spesenansätzen hätten einen Wettbewerbsvorteil. Die EU ihrerseits besteht auf die Regel, weil sie Teil des Rechts im EU-Binnenmarkt ist, an dem auch die Schweiz teilnimmt.

Was schlagen die Expertinnen jetzt vor?

Auch die Professorinnen für Europarecht, Christa Tobler (Universität Basel) und Astrid Epiney (Universität Freiburg), schlagen vor, die Schweiz solle bei den Spesen eine Ausnahme aushandeln. Gelinge dies nicht, solle sie sich einen Widerspruch im EU-Recht zunutze zu machen. Dieses sieht nämlich Ausnahmebestimmungen vor, die unter anderem Deutschland nutzt: In Deutschland gelten immer deutsche Spesenregeln. Die Ausnahmebestimmung könne auch die Schweiz anwenden, so die Einschätzung von Astrid Epiney.

Zwei Flaggen
Legende: Bei den Spesen sind sich die Schweiz und die EU noch uneins. (Symbolbild) KEYSTONE/Peter Schneider

Professorin Christa Tobler hat auch ins Spiel gebracht, die Schweiz könne die Regeln einfach brechen. Was würde das bedeuten?

Das wäre der letztmögliche Ausweg. Tobler argumentiert, die Spesenregeln widersprächen dem EU-eigenen Grundsatz des Lohnschutzes: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Daher könne die Schweiz den Rechtsbruch riskieren und in einem allfälligen Schiedsverfahren auf den Widerspruch hinweisen. Die Möglichkeit scheint gangbar, weil die Zahl der Menschen, die mit sehr tiefen Spesenansätzen in der Schweiz arbeiten kommen, sehr klein ist. Entsprechend klein wären dann auch die Konsequenzen für die Schweiz.

Wie würde die EU auf einen Regelbruch reagieren?

Angenommen, die Spesenregeln wären in der EU noch in Kraft und die Regeln zur Streitbeilegung kämen wie vorgeschlagen zur Anwendung, dann käme das Schiedsgericht zum Zug, das in diesem Fall wohl den Europäischen Gerichtshof beiziehen würde. Würde die Schweiz verurteilt, könnte sie sich der Anpassung der Regeln widersetzen. Dann hätte die EU das Recht auf verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen. Diese wären aber wohl nicht so schmerzhaft wie bisher etwa bei der Forschung.

Was heisst das alles für die möglicherweise bald anstehenden Verhandlungen mit der EU?

Wenn sich für die Spesenfrage eine Lösung finden lässt, dann bedeutet das vor allem, dass eine von den Gewerkschaften oft genannte Befürchtung entschärft wird. Sie nutzten die Spesenfrage zuletzt intensiv, um mehr Lohnschutz anzumahnen. Gibt es bei den Spesen eine Lösung, verlieren die Gewerkschaften dieses für sie wichtige Pfand in der innenpolitischen Auseinandersetzung.

Echo der Zeit, 22.12.2023, 18 Uhr ; 

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