Noch nie in der über 20-jährigen Geschichte der Verhandlungen rund um die bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU waren sich die Arbeitgeber und Gewerkschaften zum Thema Lohnschutz einig. Kurz vor Verhandlungsende ist der Direktor des Arbeitgeberverbandes jedoch zuversichtlich.
SRF News: Als «Verhandlungsbasis» für dieses Gespräch: Wie wichtig ist der Lohnschutz für den Arbeitgeberverband auf einer Skala von eins bis zehn?
Roland A. Müller: Eine Zehn. Er ist im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit essenziell. Vor 20 Jahren hat Bundesrat Couchepin als Wirtschaftsminister Gas gegeben beim Ausbau der flankierenden Massnahmen. Nicht zur Freude der Arbeitgeber. Aber alle haben gemerkt: Um die Personenfreizügigkeit in der Bevölkerung zu etablieren, muss man die Löhne schützen. Wir sind eine Hochlohninsel.
Das tönt jetzt genau gleich wie bei den Gewerkschaften?
Ja, das ist das verbindende Element. Wir können auch noch den Bund hinzunehmen, alle wollen das Gleiche. Alle haben gesehen, dass es diese Massnahmen braucht.
Das Verhandlungspaket, welches jetzt vorliegt, bringt Rückschritte im Lohnschutz. Nun sollen die Arbeitgeber und die Gewerkschaften unter der Leitung des Staatssekretariats für Wirtschaft Lösungen präsentieren. Sie sind ein grosser Musik-Fan – mit diesem Bild gesprochen, kommt es zum Finale mit lauten Paukenschlägen?
Wir haben monatelang geprobt – in über 50 Sitzungen. Nun kommt das grosse Konzert. Alle haben einen anderen Part, aber das gleiche Ziel: den Lohnschutz. Um beim Bild zu bleiben: Alle spielen die gleiche Symphonie.
Welches Instrument spielten die Gewerkschaften?
Sie waren lange Zeit die Bläser, laut, pointiert, aber dann haben sie auch Streichinstrumente übernommen und sich mit uns abgewechselt im Zusammenspiel.
Auch für die EU gilt der Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Welches sind die konkreten Lösungen? Ein Knackpunkt sind die Spesenregelungen. Die EU will, dass Arbeitgeber die Spesen des Herkunftslandes zahlen, diese sind aber meist tiefer als Essen und Übernachtungen in der Schweiz. Die Gewerkschaften fordern, dass Schweizer Spesen bezahlt werden müssen.
Es gibt jetzt schon eine Regelung in der Schweiz, die besagt, dass Schweizer Ansätze gelten. Diese Reglung muss weiterhin gelten. Wir sind auch der Meinung, dass dies rechtlich korrekt ist, denn es gilt auch für die EU der Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Ein weiterer Punkt sind die Gesamtarbeitsverträge. Die Gewerkschaften möchten, dass die GAV schneller vom Bund für allgemeingültig erklärt werden könnten. Dagegen wehrt sich der Arbeitgeberverband.
Wir wehren uns, dass neue GAV erleichtert eingeführt werden. Wir sind uns aber mit den Gewerkschaften einig: Bei der Verlängerung sollen GAV nicht die Allgemeingültigkeit verlieren, weil nicht mehr 50 Prozent der Firmen einen solchen abgeschlossen haben. In den letzten 20 Jahren entstanden viele kleine Firmen, zum Beispiel in der Baubranche, da soll es nicht an der Zählweise liegen, dass Gesamtarbeitsverträge verschwinden.
Ich bin zuversichtlich, zum Beispiel bei der Spesenregelung.
Gibt es eine Premiere, und die Sozialpartner einigen sich zum Lohnschutz beim Verhandlungspaket mit der EU?
Ich bin zuversichtlich, zum Beispiel bei der Spesenregelung. Auch haben wir eine Schnittmenge bei den Gesamtarbeitsverträgen. Dann gibt es aber auch gewerkschaftliche Anliegen ideologischer Art, welche wir ablehnen. Auf einer Skala von eins bis zehn halte ich die Spannung mit einer Fünf aufrecht. Es ist nun für alle eine Risikoabschätzung.
Das Gespräch führte Karoline Arn.