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Neue EU-Verträge Konziliantere Töne aus den Gewerkschaften

Bis ganz nach oben in den Baum sind die gewerkschaftlichen Vertreter geklettert, und haben mit dem EU-Vertrag gewedelt: zu wenig Lohnschutz und Arbeitnehmerrechte, nie akzeptierbar. Wer so weit hochklettert, erhält viel Aufmerksamkeit. Kaum jemand im Land ist um die gewerkschaftliche Einschätzung zu den neuen Verträgen herumgekommen.

Und wer stärker wahrgenommen wird, gewinnt an Einfluss. Den wollen die Gewerkschaften in möglichst griffige innenpolitische Begleitmassnahmen zu den neuen EU-Verträgen umsetzen. Sie wissen: Sind neben der SVP rechts auch die Gewerkschaften links gegen die neuen EU-Verträge, sind diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.

Wieder vom Baum runter

Wer den EU-Verträgen zu einer Mehrheit verhelfen will, muss den Gewerkschaften deshalb entgegenkommen. Und die Gewerkschaften ihrerseits müssen dafür von ihrem EU-kritischen Baum herunter. Wer jahrelang kein gutes Haar an den neuen Verträgen lässt, kann nicht im letzten Moment linksumkehrt machen und erwarten, dass die Basis dann schon folge, wenn sich die Gewerkschaftsspitze doch noch zu einem zähneknirschenden Ja durchringen sollte.

Beides scheint sich zumindest in Ansätzen abzuzeichnen. Hatte der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Pierre-Yves Maillard, zum Ende der Verhandlungen noch erklärt, er würde das Vertragspaket gerne «umtauschen», beurteilte sein Chefökonom, Daniel Lampart zuletzt Vorschläge des Staatssekretariats für Wirtschaft wohlwollend, die das Ziel haben, den verschlechterten Lohnschutz im Inland teilweise zu kompensieren.

Gewerkschaftsbund stellt Forderungen

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Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat eine Reihe von Forderungen aufgestellt, die erfüllt sein müssten, damit er Ja sagt zu den neuen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Am Freitag hat der Gewerkschaftsbund die Forderungen verabschiedet.

Der SGB will diese nun in die innenpolitischen Diskussionen einbringen, die auf die im Dezember abgeschlossenen Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz folgen.

Der Gewerkschaftsbund fordert etwa, dass ausländische Erstunternehmen Bussen für Subunternehmen zahlen sollen, wenn sie nicht vorher überprüft haben, dass die Subunternehmen Schweizer Löhne zahlen.

Er unterstütze die Öffnung der Schweiz gegenüber der EU, steht in der Resolution des SGB. Die verfügbaren Informationen zeigten aber leider, dass durch die bilateralen Abkommen Lohnschutz und Service public in der Schweiz gefährdet würden.

Nach monatelanger Blockade scheint es bei den Gesprächen zwischen Bund und Sozialpartnern also gewisse Fortschritte zu geben. In diese Richtung lässt sich auch die heute vom Gewerkschaftsbund und Travailsuisse verabschiedete Resolution zu den EU-Verträgen interpretieren.

Einigung möglich, aber nicht garantiert

Sie enthält zwar nach wie vor klare Bedingungen. Nachverhandlungen zur Spesenregelung etwa, die aussenpolitisch kaum zu realisieren sind. Und einen besseren Kündigungsschutz für Gewerkschafter, was innenpolitisch chancenlos bleiben wird. Zuoberst auf der Liste der Forderungen stehen aber jene Massnahmen, die aktuell von den Sozialpartnern diskutiert und als chancenreich beurteilt werden.

Beim Service Public signalisieren die Delegierten Unterstützung für den Bundesrat (separate Abstimmung über Strom) oder fordern, was die Regierung als erfüllt betrachtet (Bahn).  

Nachdem erste Gewerkschafter bereits kurz nach der Bekanntgabe der Verhandlungsergebnisse die neuen EU-Verträge als gangbaren Weg bezeichnet hatten, sind jetzt auch aus den grossen und bedeutenden Dachverbänden SGB und Travailsuisse konziliante Töne zu vernehmen.

Wer will, kann die jüngsten Äusserungen als Trend-Umkehr lesen. Der Abstieg vom Baum hat vielleicht begonnen. Eine Einigung unter den Sozialpartnern ist möglich. Aber der Weg ist weit – und vorderhand bleiben die neuen EU-Verträge absturzgefährdet.  

Matthias Strasser

Inlandredaktor

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Matthias Strasser ist Inlandredaktor und seit 2019 für Radio SRF tätig. Davor hat der Historiker als Bundeshauskorrespondent für private Radiostationen berichtet. Seine Fachgebiete sind Europapolitik, Verkehr und Migration.

Echo der Zeit, 31.01.2025, 18.00 Uhr; reim

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