Die Ausgangslage: Das EU-Vertragspaket bringt Einbussen beim Lohnschutz. Helene Budliger Artieda, Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, sprach kürzlich von «gewissen Rückschritten» beim Lohnschutz. Zum Beispiel wäre die Frist kürzer, innert derer sich EU-Firmen für Aufträge in der Schweiz anmelden müssen. Das kann Lohnkontrollen erschweren. Auch müssten EU-Firmen nur noch dann eine Kaution hinterlegen, wenn sie schon einmal wegen Lohndumpings gebüsst worden sind.
In über 50 Verhandlungsrunden haben Gewerkschaften und Arbeitgeber unter der Leitung des Seco um Massnahmen gefeilscht, um diese Einbussen im Inland zu kompensieren. Eine Übersicht der wichtigsten Vorschläge:
Wer Staatsaufträge will, muss eine reine Weste haben: Hier geht es um Baufirmen, die Offerten einreichen für Aufträge von Bund, Kantonen und Gemeinden. Neu müssten sie stets eine Bescheinigung der Kontrollorgane vorlegen. Diese gibt an, ob die Firma in den letzten Jahren wegen Lohndumpings kontrolliert wurde – und vor allem, ob es Lohndumping gab. Diesem Schritt stimmen Gewerkschaften und Arbeitgeberverband zu.
Generalunternehmer haften für Subunternehmen: In der Baubranche ist es üblich, dass Firmen Arbeiten weitergeben an sogenannte Subunternehmer. Neu sollen die Generalunternehmer umfassender als heute für diese haften. Konkret müssten sie unter Umständen Bussen wegen Lohndumpings ihrer Subunternehmen bezahlen. Das Seco schreibt auf Anfrage von SRF, die Massnahme solle präventiv wirken hinsichtlich Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Der Arbeitgeberverband spricht von einem «gangbaren Weg». Positiv äussert sich Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds: «Das ist ein guter Vorschlag.» Er löse zwar nur einen Teil der Probleme – sei aber ein erster wichtiger Schritt.
Zahlungsstopp bei Lohndumping : Eine Bauherrin oder ein Bauherr müsste demnach bei Fällen von Lohndumping die Zahlungen an eine Firma stoppen. Der Arbeitgeberverband unterstützt den Vorschlag: «Die Idee wäre, dass das Geld auf einem Sperrkonto hinterlegt werden muss», sagt Geschäftsleitungs-Mitglied Daniella Lützelschwab. Das Geld stünde dann zur Verfügung, um allfällige Bussen zu begleichen. Das Seco bestätigt, dass der Zahlungsstopp eine von verschiedenen möglichen Massnahmen sei.
Hier besteht Konfliktpotential: Die Gewerkschaften wollen die Gesamtarbeitsverträge stärken. Konkret soll sie der Bundesrat einfacher als verbindlich für eine gesamte Branche erklären können. «Gesamtarbeitsverträge sind die Basis des Lohnschutzes», argumentiert Gewerkschafter Lampart, «diese Basis müssen wir erhalten und entwickeln.» Für den Arbeitgeberverband aber kommt ein Entgegenkommen nicht infrage: «Hier bieten wir keine Hand», sagt Daniella Lützelschwab.
Fazit : Die langen Verhandlungen scheinen nun doch zu chancenreichen Vorschlägen zu führen – auch dank Ideen, die das Seco eingebracht hat. Entscheidend für den Erfolg und wichtig auch für die Erfolgschancen des EU-Vertragspakets bleiben drei Fragen: Beharren die Gewerkschaften auf all ihren Forderungen? Bietet die Wirtschaft tatsächlich Hand für Verschärfungen, etwa bei Haftung oder Zahlungssperren? Und: Reicht die Zeit? In wenigen Wochen nämlich will der Bund die Gespräche abschliessen.