Der damals in Bern wohnhafte Schweizer R. wurde im Jahr 2004 als Militärdienst-untauglich erklärt, und zwar aus gesundheitlichen Gründen. Hingegen sei er imstande, im Zivilschutz zu dienen. Er selber vertrat die Ansicht, er könne weder den einen noch den anderen Dienst leisten.
Entsprechend wurde er zur Zahlung der Wehrpflichtersatzabgabe verpflichtet. Dagegen wehrte er sich juristisch, unterlag aber vor schweizerischen Instanzen. Hierauf gelangte er an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg, den EGMR. Dort klagte er wegen Diskriminierung aus gesundheitlichen Gründen.
Zudem führte er an, er sei benachteiligt gegenüber jenen Schweizern, die den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigerten und einen zivilen Ersatzdienst leisten könnten. Sie sind entsprechend von der Wehrpflichtersatzabgabe befreit. Das oberste Menschenrechtsgericht in Strassburg gibt nun dem Kläger recht.
Bundesrat musste Rechtsordnung ändern
Es ist das zweite Mal, dass es im Fall einer Klage gegen die Wehrpflichtersatzabgabe zuungunsten der Schweiz urteilt.
Der frühere Fall liegt bereits elf Jahre zurück. Damals musste der Bundesrat aufgrund der Strassburger Gerichtsentscheidung die Rechtsordnung ändern: Es wurde neu die Möglichkeit geschaffen, dass dienstwillige, aber nicht voll militärdiensttaugliche Bürger einen Militärdienst mit besonderen, reduzierten Anforderungen leisten können und somit nicht wehrdienstersatzpflichtig sind.
Aus Sicht des EGMR konnte diese neue Lösung im heutigen Urteil noch nicht berücksichtigt werden. Sie trat erst Jahre in Kraft, nachdem R., um den es im aktuellen Fall geht, die Steuer hätte bezahlen müssen. Allerdings entschieden die Richter in Strassburg nicht nur aus diesem formalen Grund gegen die Schweiz.
Nicht fair geregelt?
Aus ihrer Sicht ist vielmehr nach wie vor nicht klar und aus Menschenrechtsüberlegungen nicht fair genug geregelt, wer letztlich die Ersatzabgabe zahlen muss und wer nicht. Ganz grundsätzlich sieht der EGMR ein Problem in der Ungleichbehandlung von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen und Nichtdiensttauglichen aus Gesundheitsgründen.
Die einen entgehen der Wehrdienstersatzabgabe, falls sie Zivildienst leisten, die anderen nur in gewissen Fällen, nämlich dann, wenn die körperlichen Einschränkungen gravierend sind. Das sei diskriminierend und verstosse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Das neuerliche Urteil dürfte nun die Schweiz zwingen, in Sachen Wehrdienstersatzabgabe erneut über die Bücher zu gehen.