Sportberichterstattung ist männlich. Oder besser gesagt: Sie ist auf Männer konzentriert. Abseits von Grossereignissen wie Olympischen Spielen rücken nur gerade 10 bis 15 Prozent der Medienberichte Athletinnen in den Fokus, das belegen zahlreiche Studien. Es gibt zwar Unterschiede: Einzelsportlerinnen (Ski, Tennis etc.) erfahren etwas mehr Aufmerksamkeit, Frauen-Teamsportarten hingegen haben es schwieriger – und das gilt auch für den Fussball.
Diesen Sommer dürfte dies jedoch anders sein. Während der Heim-Europameisterschaft, die am 2. Juli beginnt, wird sich alles um die Schweizer Fussballerinnen drehen. «Eine riesige Chance», sagt SRF-Fussballexpertin Martina Moser (38), «die alle Beteiligten unbedingt nutzen müssen.»
Martina Moser war selber viele Jahre lang Nationalspielerin. Und sie war dabei, als sich das Schweizer Frauenteam erstmals für ein internationales Turnier qualifizierte, für die Weltmeisterschaft 2015 in Kanada. «Bis zu diesem Zeitpunkt hat uns noch überhaupt niemand gekannt», sagt Moser. «Die Spiele des Nationalteams wurden bis zu diesem Turnier nie im Fernsehen übertragen. Wir mussten uns daher quasi noch vorstellen, wer die Stürmerin ist und wer die Torhüterin.»
Wir glauben, dass uns dieses Turnier um mehrere Jahre vorwärts bringen kann.
Die Teilnahme in Kanada und die mediale Präsenz haben dem Schweizer Frauenfussball dann einen grossen Schub verliehen – und Marion Daube, Direktorin Frauenfussball beim Schweizerischen Fussballverband (SFV), hofft, dass die Heim-EM einen ähnlichen Effekt haben wird. «Wir glauben, dass uns dieses Turnier um mehrere Jahre vorwärtsbringen kann.»
Wichtig sei, dass die Spielerinnen sich positiv präsentieren können, dass sie Vorbilder seien für junge Mädchen und Buben, sagt Daube. Der Verband unterstütze sie dabei, biete Interview-Trainings an und schule sie im Umgang mit den Sozialen Medien.
Auch die Austragungsorte unternehmen einiges, um die Spielerinnen in ein gutes Licht zu rücken. So gehen die Städte beispielsweise individuelle Medienpartnerschaften ein, mit dem Ziel, dass auch die lokalen Medien täglich über den Grossanlass berichten.
Die zu erwartende mediale Aufmerksamkeit sei indes kein Selbstzweck, sagt Moser. Entscheidend sei, was daraus gemacht werde. «Ich gehe davon aus, dass nach diesem Turnier viele Mädchen Fussball spielen wollen und darauf müssen wir uns vorbereiten.» Es brauche mehr Trainerinnen, mehr Funktionärinnen, es brauche mehr und bessere Infrastruktur. Hier seien viele in der Verantwortung, zuvorderst der Verband, die Gemeinden und die Fussballclubs.
Was möglich sei, habe man in England gesehen, wo die letzte Europameisterschaft stattgefunden hat. «Dort hat das Turnier einen riesigen Effekt gehabt», sagt Moser. «Die nationale Liga hat viele Schritte vorwärtsgemacht. Im Land ist ein Frauenfussballfieber ausgebrochen. Und so etwas wünsche ich mir natürlich auch für die Schweiz.» Wobei die Engländerinnen ihr Heim-Turnier auch gewonnen hatten. Etwas, was von den Schweizerinnen nicht unbedingt erwartet werden kann.
«Natürlich wäre es schön, wenn wir Europameisterinnen würden», sagt Daube, aber noch wichtiger als der Erfolg sei, dass das Team positive Energie verströme. «Die EM als Ganzes soll ein tolles Erlebnis werden und den Frauenfussball von seiner besten Seite zeigen.»