Der Grundsatz leuchtet ein: Wirtschaftszweige, die wegen der Corona-Pandemie schliessen mussten, sollen nicht alle gleichzeitig ihren Betrieb wieder aufnehmen. Zu gross ist die Gefahr, dass die Infektionszahlen in die Höhe schnellen – und unsere Spitäler doch noch überlastet werden und nicht mehr allen helfen können, die es benötigen.
Darum soll die Öffnung schrittweise geschehen. Mit der Idee: Nach jedem Schritt beobachtet man die Folgen für die Gesundheit. Sind die Folgen im erwarteten, verantwortbaren Rahmen, folgt der nächste geplante Schritt. Nimmt die Zahl der Spitaleintritte wegen Covid-19 jedoch zu stark zu, wird die nächste geplante Lockerung verschoben.
Mehr Mobilität = mehr Infektionsmöglichkeiten
Auch, dass als erstes Berufsleute wie Coiffeure, Hausärztinnen oder Physiotherapeuten wieder normal arbeiten dürfen, lässt sich gut begründen: Dies lässt die Menschen weniger in Massen wieder auf die Strassen und in den öffentlichen Verkehr strömen, als wenn gleich alle Läden wieder öffnen würden und damit die Lust auf ausgedehnte Shoppingtouren erwachen würde. Mehr Mobilität bedeutet eben auch mehr Infektionsmöglichkeiten. Erkrankt zudem jemand an Covid-19, lassen sich seine Kontakte in diesen Branchen besser zurückverfolgen – sie bedingen ja Termine.
Dass Schritt zwei – mit einer Öffnung für alle Läden und einer Teilöffnung der Schulen – aber bereits am 11. Mai erfolgen soll, wirft Fragen auf. Nach zwei Wochen ist noch nicht völlig klar, welche Folgen der erste Öffnungsschritt hatte.
Kommt verschärfend dazu: Über die Details dieses zweiten Schrittes am 11. Mai will der Bundesrat am 29. April entscheiden – gerade mal zwei Tage nach Schritt eins. Doch dann werden nicht einmal minimale Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen vorhanden sein.
Die Rechnung geht auf – wenn der Bundesrat richtig liegt
Einleuchtender gewesen wäre entweder ein späterer Zeitpunkt für den zweiten Schritt. So hätte der Bundesrat im Wissen um die Entwicklung des Virus über die zweite Etappe entscheiden können. Das hätte natürlich die Unternehmen um Einnahmen gebracht und weitere Arbeitsplätze gefährdet.
Oder man hätte die beiden Schritte zusammenlegen können, so wie dies auch Wirtschaftsverbände lieber gesehen hätten. Dann hätten auch alle Läden Ende April wieder öffnen können – für die Schulen wäre dies eventuell zu kurzfristig gewesen. Gleich allen Läden so schnell wieder grünes Licht zu geben, war dem Bundesrat aber zu riskant.
Die baldige Öffnung für personenbezogene Berufe, zusammen mit Schutzmassnahmen, erscheint dem Bundesrat hingegen offenbar so sicher zu sein, dass er die gesundheitlichen Folgen der ersten Lockerung nicht abwarten will. Zu hoffen ist, dass er damit Recht behält. Dann geht die Rechnung auf. Für die Gesundheit. Und mindestens auch für einen Teil der Wirtschaft.