Die SVP machte im Vorfeld Druck auf eine rasche Lockerung der Notmassnahmen. Fraktionschef Thomas Aeschi kritisiert denn auch das Vorgehen des Bundesrates: «Er zaudert enorm. Er muss dringend Schutzmasken besorgen, Testmöglichkeiten ausbauen und eine Rückverfolgung via App ermöglichen – und dann möglichst schnell die Wirtschaft öffnen.» Schon jetzt sei der Schaden riesig.
Doch steht die SVP mit dieser Fundamentalkritik alleine da. Alle anderen Parteien unterstützen den Bundesrat, so sagt etwa CVP-Ständerat Pirmin Bischof: «Der Bundesrat hat einen guten Mittelweg gefunden.» Es gelte einerseits, die Gesundheitsrisiken klein zu halten. «Andererseits, und das hat der Bundesrat heute mehr gewichtet, die riesigen wirtschaftlichen Schäden zu minimieren.»
Der Bundesrat zaudert enorm.
Auch FDP-Fraktionschef Beat Walti unterstützt das Vorgehen des Bundesrates. Er begrüsst, dass dieser eine Perspektive eröffne, auch wenn man mit dem Tempo zulegen könnte: «Die ersten Etappen stehen an. Für die Betroffenen ist die Realisierung mit einer gewissen Vorlaufzeit verbunden.» Die späteren Etappen könne man aber je nach Verlauf der Pandemie terminlich noch einmal überdenken.
Auch nach dem heutigen Tag bleiben viele Fragen offen, etwa wann Restaurants wieder öffnen können; aber der Bundesrat hat eine weitere Frage beantwortet, so unterstützt der Bund nun auch Selbstständige, die indirekt von den Restriktionen betroffen sind, Taxi-Fahrer etwa.
Es freut uns, dass es wirtschaftlich wieder etwas losgeht. Die Zahlen waren sehr beunruhigend. Stark steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit auf ungekanntem Niveau.
Ein richtiger und kluger Entscheid, findet SP-Fraktionschef Roger Nordmann, weil nur diejenigen Geld bekommen, die im letzten Jahr weniger als 90'000 Franken verdienten: «Das ist eine gute Kompromisslösung. Es kostet nicht zu viel und hilft denjenigen, die es brauchen.»
Die etappenweise Lockerung des Shutdowns
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Bild 1 von 10. Zeit für einen Haarschnitt: Ende April ist der Coiffeur-Besuch wieder erlaubt. Auch Kosmetikstudios und Nagelsalons öffnen wieder. «Diese Einrichtungen sind wichtig, weil die Bevölkerung solche Dienstleistungen braucht», so Bundesrat Berset. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. Über besondere, weiterreichende Massnahmen zum Beispiel für ältere Leute zu sprechen, sei heute noch zu früh, sagte der Gesundheitsminister. Aber auch wenn die Epidemie gebremst sei, bleibe das Risiko für die besonders gefährdeten Personen unverändert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 10. Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen bleiben verboten. Die Party am Lagerfeuer oder die Hochzeitssause müssen also warten: «Das Verbot für ganz kleine Veranstaltungen inklusive Ansammlungen ist nicht aufgehoben», sagte Berset. Dabei bleibe es vorerst wegen der weiterhin grossen Bedeutung des Social Distancing. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 10. Der Bundesrat sei sich bewusst, dass der Betrieb von Restaurants und Gastronomiebetrieben unter Einhaltung der nötigen Abstände schwierig werde, sagte Bundesrätin Sommaruga. «Es ist aber auch nicht jeder Betrieb gleich.» Daher gebe der Bund der Branche die Möglichkeit, ein Konzept für die Rückkehr zum Betrieb auch mit Etappierungen auszuarbeiten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 10. Der Bundesrat verpflichtet Arbeitgeber, besonders gefährdeten Personengruppen die Möglichkeit zu geben, weiterhin von zuhause aus arbeiten zu können. Arbeitnehmende können sich weigern, zur Arbeit zu gehen, falls sie sich dort nicht gut genug geschützt fühlen. Der Lohn muss weiter ausbezahlt werden. Voraussetzung: ein ärztliches Attest. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. Unklar bleibt, wie es mit den Besuchsverboten in Altersheimen weitergeht. «Man muss die Balance finden zwischen dem, was ausbleibende Besuche für ältere Menschen bedeuten und dem Schutz besonders gefährdeter Personen», erklärte Berset. Ob Besuchsverbote aufgehoben würden, sei aber Sache der Kantone. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 10. Ein Sommer ohne Badi-Besuch? Für viele Hitzegeplagte unvorstellbar. «Heute können wir nicht sagen, ob Sie Ihren Besuch in der Badi planen können», sagte Bundespräsidentin Sommaruga. Man suche aber nach Wegen, Einschränkungen wieder rückgängig zu machen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 10. Der Festivalsommer steht auf der Kippe: «Grossveranstaltungen werden wahrscheinlich zur letzten Kategorie gehören, die wieder zugelassen werden», so Berset. Inzwischen haben die Veranstalter des grössten Schweizer Open-Airs – dem Paléo Festival in Nyon – mitgeteilt, dass die diesjährige Ausgabe entfällt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. Fällt auch die Bergwanderung im Sommer ins Wasser? Man konzentriere sich zunächst auf die wichtigsten Transportmöglichkeiten, sodass vor allem Schulen wieder besucht werden können, so Sommaruga. In weiteren Etappen würde man sich dann Fragen stellen, wie es mit Bergbahnen und der Schifffahrt weitergehe. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 10. Geisterspiele oder Saisonabbruch? Ansammlungen von mehr als fünf Personen werden zumindest in den ersten beiden Phasen der Öffnung verboten bleiben. Somit kann ein geregeltes Fussball-Training frühestens ab dem 8. Juni wieder stattfinden. Damit dürfte auch die Fortsetzung der Meisterschaft mit Geisterspielen nicht vorher möglich sein. Bildquelle: Keystone.
Aus der Wirtschaft war zuletzt der Ruf nach Lockerungen lauter geworden. Das grösste Lob für die bundesrätliche Exit-Strategie gibt es von den Gewerkschaften. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sagt: «Es freut uns, dass es wirtschaftlich wieder etwas losgeht. Die Zahlen waren sehr beunruhigend. Stark steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit auf ungekanntem Niveau.»
Zudem begrüsst er, dass der Bundesrat den Schutz von gesundheitlich besonders gefährdeten Angestellten konkretisiert hat. Das Lockern in Etappen kommt auch auf Seiten der Unternehmen grundsätzlich gut an. So sagt Heinz Karrer vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: «Wir sind froh, dass der Bundesrat nun entschieden hat, eine schrittweise Lockerung zu vollziehen.»
Wir sind nicht glücklich darüber, dass der Detailhandel nicht schon von Beginn weg einbezogen ist. Das wäre für uns zwingend als erster Schritt nötig gewesen.
Er hätte sich allerdings – wie übrigens die meisten anderen Wirtschaftsvertreter – schon auf den 27. April eine breitere Lockerung gewünscht: «Wir sind nicht glücklich darüber, dass der Detailhandel nicht schon von Beginn weg einbezogen ist. Das wäre für uns zwingend als erster Schritt nötig gewesen.»
Eine Kritik, die auch Hans-Ulrich Bigler vom Schweizerischen Gewerbeverband umtreibt. Er kritisiert mit Blick auf die vielen KMU, die ihre Ladentüren erst Mitte Mai öffnen dürfen: «Grossverteiler können dagegen das gesamte Sortiment anbieten. Das ist ein absoluter Affront.»
Valentin Vogt vom Schweizerischen Arbeitgeberverband kann den Ärger nachvollziehen – er schlägt aber versöhnliche Töne an: «Wenn man in 1,2 zwei Jahren zurückschaut, ob etwas am 27. April oder am 11. Mai aufgegangen ist, wird das Nebensache sein. Wichtig ist, dass ein konkreter Fahrplan vorliegt, damit alle planen können.»