Wie hat die Schweiz die Covid-19-Pandemie gemeistert? Haben Bund und Kantone zeitgerecht und angemessen auf die Bedrohungslage reagiert? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat die Krisenbewältigung von einer externen Firma evaluieren lassen. Der Fokus lag dabei auf der Krisenvorbereitung und der Bewältigung der ersten Phase der Pandemie – also bis Sommer 2021.
Vor allem bei der Krisenvorbereitung kommt der Bund, insbesondere das BAG, schlecht weg. Es hätte an den Grundlagen für die Pandemiebekämpfung gefehlt – das die Erkenntnis des externen Evaluationsberichts der Firma «Interface Politikstudien».
Wir haben unterschätzt, welche Wucht eine Pandemie haben kann, wie lange sie dauern und welche Auswirkungen auf das gesamte Leben sie haben kann.
Die Schweiz – aber auch der Rest der Welt – sei von der Pandemie überrumpelt worden, gesteht Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit, ein. «Wir haben unterschätzt, welche Wucht eine Pandemie haben kann, wie lange sie dauern und welche Auswirkungen auf das gesamte Leben sie haben kann.»
So fehlte in der Schweiz zu Beginn der Krise ein geeigneter Pandemie-Plan. Und auch eine digitale Strategie für das Krisenmanagement war nicht vorhanden. Das hat laut dem Bericht dazu geführt, dass gleich am Anfang wertvolle Zeit verloren ging. Ein zweiter ungenügender Moment bei der Pandemiebekämpfung sei dann der Sommer 2020 gewesen. Kurz nach dem Teil-Lockdown also, wo der Bundesrat den Kantonen wieder mehr Verantwortung übergeben habe.
Impfkampagne kommt gut weg
Die Kantone hätten zwar mehr Handlungsspielraum gefordert – seien dann vom Schritt des Bundesrats aber doch überrascht worden, so die Bewertung des Berichts. Natürlich hätten auch die Kantone nicht alles richtig gemacht, sagt selbstkritisch Michael Jordi, Generalsekretär der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren. «Diese Phase war etwas schwierig. Man war froh, sich wieder frei bewegen zu können und hat sich dann an der einen oder anderen Stelle zögerlich auf den Herbst vorbereitet. Man war dann zu langsam, was Massnahmen betrifft.»
Trotzdem betont Jordi: Alles in allem, sei die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen nicht nur schlecht gewesen. Das zeigt auch der Bericht. Die Rollenverteilung bei der Besorgung und Durchführung der Impfung zum Beispiel erhält eine gute Bewertung.
Indirekte Folgen der Corona-Massnahmen
Kritik hingegen gibt es bei einem anderen, grundsätzlicheren Punkt. Die Gesundheit der Gesellschaft sei – zumindest in der ersten Phase der Pandemie – zu einseitig definiert worden. Indirekte Folgen der Pandemiebekämpfung hätten eine zu kleine Rolle gespielt.
Zum Beispiel: Wie stark die Gesellschaft psychisch bei einem Teil-Lockdown leidet. Was das mit den älteren Personen macht, wenn sie im Pflegeheim nicht mehr besucht werden dürfen. Oder: Inwiefern die Chancenungleichheit grösser wird, wenn die Schulen geschlossen bleiben.
Die Empfehlung des Berichts, Gesundheit ganzheitlicher zu betrachten und künftig schon bei einer Krisenvorbereitung miteinzubeziehen, würde dann wohl wiederum Bund und Kantone fordern.