Sie fühlen sich übergangen und pauschal vorverurteilt, weil sie nicht geimpft sind. In über hundert Mails haben Ungeimpfte der «Rundschau» nach einem Aufruf ihre Argumente und Ängste mitgeteilt.
In der «Rundschau» schildern Impfskeptiker:innen, warum sie trotz zunehmendem Druck keine Corona-Impfung wollen. Infektiologe Philip Tarr vom Kantonsspital Baselland nimmt dazu Stellung.
«Heikles Gleichgewicht nicht gefährden»
Die 66-jährige Eveline Kuratli hat alle üblichen Impfungen gemacht. Aber die mRNA-Impfung gegen Covid kommt für sie nicht infrage. Sie litt in den letzten Jahren unter mehreren Krankheiten. Darunter auch Herpes Zoster (Gürtelrose) – laut Swissmedic ist die Reaktivierung von Herpes Zoster eine der häufigen Nebenwirkungen der Corona-Impfung.
Das Risiko gehe ich nicht nochmals ein.
«Ich hatte wochenlang Herpes Zoster im Auge. Die Schmerzen haben mich fast in den Wahnsinn getrieben», sagt Eveline Kuratli. «Das Risiko gehe ich nicht nochmals ein. Wenn nach einer Impfung der Herpes Zoster zurückkommt, habe ich auch keine Solidarität. Dann kann mir niemand helfen.»
Die pensionierte Sachbearbeiterin beklagt gegenüber der «Rundschau», dass die Ängste kranker Menschen zu wenig ernst genommen würden. Stattdessen werfe man sie in den gleichen Topf wie radikale Impfgegner und Weltverschwörer.
Besser auf die Ängste von Impf-Skeptischen eingehen
Philip Tarr, Infektiologe am Kantonsspital Baselland und Impf-Skepsis-Forscher glaubt, dass eine bessere Kommunikation nötig ist, um die Ungeimpften zu erreichen. «Die Message 'Die Impfung ist sicher und wirksam' überzeugt diejenigen, die sich nicht viel überlegen. Aber die 30 Prozent, die skeptisch sind, da muss man anders kommunizieren. Man muss auf die Sorgen eingehen und die Nebenwirkungen sorgfältig auflisten. Das haben die Behörden vielleicht bisher zu wenig gemacht.»
Man muss auf die Sorgen eingehen und die Nebenwirkungen sorgfältig auflisten.
Für Philip Tarr ist jedoch klar, dass die Angst vor Nebenwirkungen nicht von der Impfung abhalten sollte. «Wir wissen jetzt sehr gut, dass gerade Leute, die nicht gesund sind, eher schwer krank werden können, falls sie Corona kriegen.»
Zu grosses Vertrauen in eigene Immunabwehr?
Viele Ungeimpfte haben der «Rundschau» geschrieben, dass sie der eigenen Immunabwehr stärker vertrauen, als einem neuartigen Impfstoff, der innert kürzester Zeit entwickelt wurde.
«Impfen ist nur eine Variante, das Immunsystem zu stärken, aber mein Weg ist ein anderer», sagt Lebensberater und Coach Daniel Hess: «Ich stärke mein Immunsystem seit Jahren bewusst, indem ich mich mit meinen Themen auseinandersetze, gesund esse und mich viel bewege. Ich übernehme so wirklich selber die Verantwortung für meine Gesundheit.»
Impfen ist nur eine Variante, das Immunsystem zu stärken, aber mein Weg ist ein anderer.
Die offizielle Impfkampagne sei einseitig und ermögliche keinen wissenschaftlichen Dialog, kritisiert Hess.
Infektiologe Philip Tarr ist ebenfalls der Ansicht, dass man alles tun sollte, was das natürliche Immunsystem stärkt. Dazu gehöre auch nicht rauchen oder weniger Alkohol trinken. Doch er warnt davor, die Immunabwehr zu überschätzen.
«Man muss auch einsehen, dass das ein neuartiges Virus ist, gegen das wir über die Jahre keine Immunität aufbauen konnten», sagt Tarr. «Die Leute, die schwer erkranken, werden von einem Virus überwältigt, gegen das ihr Immunsystem keine Chance hat, auch wenn es noch so gut ist.»
Der Infektiologe warnt davor, sich auf das Immunsystem zu verlassen. Impfen sei immer noch der beste Weg, sich vor Corona zu schützen.