In Bellinzona stehen seit letzter Woche die beiden Fussball-Grössen Sepp Blatter (86) und Michel Platini (67) vor dem Bundesstrafgericht. Vorwurf: Veruntreuung, ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und im Falle von Platini noch Betrug. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen eine 2-Millionen-Zahlung vor, die Blatter im Jahr 2011 an Platini auszahlen liess – laut Anklage ohne Berechtigung.
Die grosse Frage aber in Bellinzona lautet: Wie erfuhr die Bundesanwaltschaft damals von der Zahlung? Denn: Michel Platini kandidierte damals als Blatter-Nachfolger bei der Fifa. Die Zahlung führte dazu, dass Platini nicht kandidieren durfte und statt ihm Gianni Infantino zum Fifa-Präsidenten gewählt wurde. «Ein Komplott», behauptet Platini immer wieder.
Am Dienstag deshalb der grosse Tag der Verteidigung: Der ehemalige Fifa-Finanzdirektor und Generalsekretär Markus Kattner steht im Zeugenstand. Unbestritten ist: Er überreichte damals bei der Fifa-Hausdurchsuchung der Bundesanwaltschaft den sogenannten «blauen Ordner», in dem die Platini-Zahlung aufgeführt war. War er also der Ursprung des angeblichen Komplotts?
Letzte Woche sagte Olivier Thormann, damals Chefermittler der Bundesanwaltschaft, als Zeuge, Kattner habe ihn explizit auf die Zahlung aufmerksam gemacht. Das Gericht spielte Markus Kattner die aufgezeichnete Aussage mehrmals vor. Grosse Überraschung: Kattner bestreitet energisch. Er habe Thormann nicht auf diese Zahlung aufmerksam gemacht. Kurz: Es steht Aussage gegen Aussage, einer sagt die Unwahrheit. Aber wer?
Die Frage, ob Platini Opfer eines Komplotts geworden ist oder nicht, bleibt also nach wie vor unbeantwortet. Es ist wie Eile mit Weile: alle zurück an den Start.
Die Platini-Verteidigung hat die Kattner-Aussage allerdings sofort benutzt, um gegen Olivier Thormann Strafanzeige wegen falscher Zeugenaussage einzureichen. Und sie hat die Einvernahme von zusätzlichen Zeugen verlangt, unter anderem der jetzige Fifa-Präsident Gianni Infantino. Das Gericht lehnt diesen Antrag ab. Die Fifa, Privatklägerin in diesem Verfahren, spricht von einem Ablenkungsmanöver der Verteidigung.
Klar aber ist schon jetzt; dass es noch eine dritte Person gibt, die eine Schlüsselrolle spielt: Der damalige Fifa-Chefjurist Marco Villiger. Er war bei der Hausdurchsuchung der Bundesanwaltschaft immer dabei. Und er pflegt, wie man heute weiss, enge, auch private Kontakte zum Chefermittler Thormann.
Thormann ist später darüber gestolpert – er musste seinen Hut nehmen und arbeitet jetzt beim Bundesstrafgericht. Weiss also Marco Villiger mehr? Er könnte wohl das Rätsel ein Stück weit lösen.
Die Platini-Verteidigung hat vergeblich auch ihn als neuen Zeugen beantragt. Sicher ist jetzt: Ob Komplott oder nicht – in Bellinzona wird diese Frage nicht beantwortet. Jedoch: Die Weigerung des Gerichts bedeutet: Auch nach dem Urteil in Bellinzona wird das Verfahren wohl eine Fortsetzung vor dem Bundesgericht Lausanne finden.