Der Armee fehlt das Geld. Dazu hat Armeechef Thomas Süssli bereits letzten Samstag Stellung bezogen. In der SRF-Tagesschau musste er erklären, weshalb die Armee kurzfristig die Flugschau «AirSpirit 2024» und weitere Anlässe abgesagt hat.
Was der Armeechef nicht sagte: Anlässe absagen – das wird die Finanzprobleme bei Weitem nicht lösen. Denn das Finanzloch ist noch viel grösser.
Armee fehlt eine Milliarde Franken
Radio SRF liegt ein Dokument des Armeestabs vor, das erst wenige Tage alt ist. Es enthält konkrete Zahlen: Dieses und nächstes Jahr fehlt der Armee insgesamt eine Milliarde Franken, um bereits getätigte Rüstungskäufe zu bezahlen. Die anfallenden Zahlungen liegen in beiden Jahren um je eine halbe Milliarde Franken über den zur Verfügung stehenden Mitteln (siehe Grafik unten).
Mindestens ebenso brisant ist die Ursache des Milliardenlochs. Laut dem Armee-internen Dokument ist die Finanzklemme zumindest teilweise hausgemacht: Weil die Armee von ihrer eigenen Finanzplanung abgewichen ist.
Die Armee hatte schon vor acht Jahren detailliert geplant, wie sie den Kauf eines neuen Kampfjets und die Verstärkung der Luftabwehr finanzieren wollte. Der Plan: Während mehrerer Jahre würde die Armee entweder gar keine oder nur wenige Rüstungsgüter bestellen, um so Gelder freizuspielen.
Das war der Plan – doch die Armee wich davon ab: Ab dem Jahr 2020 liess sie sich von Bundesrat und Parlament deutlich umfangreichere Rüstungskäufe bewilligen als noch 2018 geplant. Unter dem Titel «Ursachen der Liquiditätsengpässe» heisst es im Armee-internen Dokument: «Gleichzeitig grössere oder überhaupt Rüstungsprogramme gegenüber der Planung».
Das Dokument listet Jahr für Jahr auf, um wie viel die damaligen Rüstungsprogramme über dem Plan lagen. Die Tabelle unten zeigt: Es geht je nach Jahr um etliche Hundert Millionen Franken.
Die Armee nennt im internen Dokument noch weitere Ursachen für das 1-Milliarden-Loch: höhere Betriebskosten bei der Armee – zum Beispiel in der Informatik – sowie die Teuerung.
Armeegelder werden später aufgestockt
Interessant ist: Vor rund zwei Jahren zeichnete sich für die Schweizer Armee eine Lösung ab: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wollte das Parlament die Verteidigungsausgaben rasch und deutlich aufstocken. Allerdings bremste der Bundesrat vor einem Jahr diesen Finanzausbau bereits wieder und entschied: Das Armeebudget solle langsamer wachsen. Seit diesem Zeitpunkt, vor einem Jahr also, musste die Armee damit rechnen, dass die Zusatzgelder deutlich später kommen würden. Trotzdem bewilligten Bundesrat und Parlament letztes Jahr weitere Rüstungskäufe.
Abbruch von Rüstungskäufen kein Tabu
Die Verantwortlichen der Armee also liefen sehenden Auges in die Finanznot. Wie weiter? Laut zwei gut informierten Quellen verhandeln VBS-Leute mit Rüstungslieferanten darüber, Zahlungen zu strecken. Neuerdings ist demnach aber auch eine zweite Option kein Tabu mehr: nämlich ausgewählte, bereits beschlossene Rüstungskäufe abzubrechen.
SRF hat der Armee am Dienstagmittag ausführliche Fragen gestellt zum Finanzloch, dessen Ursachen und Folgen. Die Armee allerdings will erst Stellung nehmen, nachdem die sicherheitspolitische Kommission des Ständerats informiert ist. Morgen Donnerstag muss Armeechef Süssli dort antreten.