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Ueli Maurer: «Der Staat ist nicht verantwortlich dafür, dass alles jederzeit zu einem günstigen Preis greifbar ist.»
Aus Tagesschau am Vorabend vom 08.06.2022.
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Finanzminister zu Hilfsideen Ueli Maurer: «Wir leben nicht im Märchen ‹Tischlein deck dich›»

Die Begehrlichkeiten gegenüber der Bundeskasse sind gross zurzeit. Die Parteien lancieren Ideen zugunsten jener, die unter der Teuerung leiden. Gleichzeitig hat das Parlament zum Beispiel für die Armee mehrere Milliarden Franken Zusatzausgaben beschlossen. Finanzminister Ueli Maurer erklärt im Interview, warum er bei neuen Begehren bremst, gleichzeitig aber selber Druck macht auf die Bundeskasse, indem er die Corona-Schulden möglichst schnell zurückzahlen möchte.

Ueli Maurer

Alt-Bundesrat

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Ueli Maurer ist 1950 geboren. Er erwarb das eidgenössische Buchhalterdiplom und war von 1994 bis 2008 Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes. Bis Ende 2008 war er auch Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten und des Schweizer Maschinenrings. Zudem war Maurer von 1996 bis 2008 Präsident der SVP Schweiz. Von 1991 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war er Nationalrat. Der SVP-Politiker war von 2009 bis 2022 Bundesrat, bis 2016 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und danach Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).

SRF: Haben Sie auch schon mal Donald Duck gelesen?

Ueli Maurer: Nein, das ist nicht mehr meine Generation.

Dort gibt es den schwerreichen Onkel Dagobert. Sein Albtraum ist, dass er in seinem prall gefüllten Tresor sein gewohntes Taler-Bad nehmen will – doch während er vom Sprungbrett springt, realisiert er, dass da gar keine Taler mehr sind. Gehen Ihre Albträume als Finanzminister in eine ähnliche Richtung?

Nein, eher: Absturz vom Schuldenberg. Wir haben längst kein Geld mehr, wir machen nur noch Schulden. Da kann man abstürzen.

Die Parteien überbieten sich in Entlastungsideen, weil die Benzin- und Strompreise steigen, die Teuerung anzieht und auch die Krankenkassenprämien steigen dürften. Das belastet vor allem Personen mit kleinen Einkommen. Können Sie da einfach zuschauen?

Die Teuerung ist im Moment im Vergleich zum Ausland relativ bescheiden. Wir schauen zu, ja, wir beobachten es, aber es gibt im Moment keinen Grund für den Staat, einzugreifen. Denn wir müssten ja den Leuten das Geld aus dem Sack ziehen oder Schulden machen zulasten der Kinder, das macht im Moment keinen Sinn.

Viele haben eher beim Tanken den Eindruck, ihnen werde das Geld aus dem Sack gezogen – bei zeitweise 2 Franken 50 pro Liter Benzin.

Der Staat ist nicht verantwortlich dafür, dass alles jederzeit zu einem günstigen Preis greifbar ist.

Ja, aber wir leben nicht im Märchen «Tischlein deck dich». Der Staat ist nicht verantwortlich dafür, dass alles jederzeit zu einem günstigen Preis greifbar ist. Die Eigenverantwortung zählt auch. Die Situation hat sich tatsächlich verschärft, aber wir stehen nicht vor dem Weltuntergang.

Dann wähnt sich Ihre Partei offenbar auch in einem Märchen – die SVP fordert ein Entlastungspaket für Autofahrerinnen und Autofahrer.

Sogar unsere Partei hat das Gefühl, es gelte «Tischlein deck dich» und der Staat habe für alles zu sorgen. Das kann man einfach nicht. Wir haben auch die Schuldenbremse. Wenn wir etwas verteilen, müssen wir es andernorts einsparen, und da soll man mir zuerst sagen, wo.

Die SP-Idee will einen «Chèque fédéral»: 260 Franken für fast alle, sollte die Teuerung über fünf Prozent steigen.

Auch das muss man gegenfinanzieren. Die Schuldenbremse erlaubt nicht, auszugeben, was man nicht einnimmt. Die Einsparungsvorschläge sprudeln nicht so stark wie die Ausgabeideen.

Aus der FDP kommt der Ruf, die Mehrwertsteuer zu senken – Steuern senken Sie sonst ja gerne.

Ja, aber eben auch hier: Wenn wir weniger Einnahmen haben, brauchen wir andere Einnahmen oder müssen sparen. Es gehört halt zur Politik, daheim zu erzählen, was man in Bern alles Tapferes macht. Wirklich tapfer wäre, Sparvorschläge zu machen, wenn man mehr ausgeben will.

Es stehen noch viel grössere Mehrausgaben an, zum Beispiel für die Armee sieben statt fünf Milliarden, mehr auch für die Altersvorsorge und den Energie-Umbau. Wenn es so knapp wird: Warum engt der Bundesrat den finanziellen Spielraum noch mehr ein, indem er die Corona-Schulden so schnell zurückzahlen will wie keine Partei ausser der SVP?

Wir konnten in Corona-Zeit nur darum so schnell reagieren und so viel Geld verteilen, weil wir einen gesunden Haushalt haben.

Wir engen den Spielraum nicht ein. Die Schulden müssen wir zurückbezahlen, das schreibt das Gesetz vor. Wir beraten jetzt die Vorlage und werden schauen, was dabei herauskommt. Aber es ist klar: Wir konnten in Corona-Zeiten nur darum so schnell reagieren und so viel Geld verteilen, weil wir einen gesunden Haushalt haben. Wenn wir die Schulden stehen lassen, wird es immer schwieriger – je höher die Schulden sind, desto weniger können wir reagieren. Wer neue Forderungen stellt, müsste sagen: Wir bauen die Corona-Schulden schnell ab, damit wir wieder handlungsfähig sind.

Das Tempo erhöht doch den Druck?

Es braucht auch einen gewissen Druck. In den letzten zwei, drei Jahren haben wir uns daran gewöhnt, da eine Milliarde und dort eine auszugeben – es kommt überhaupt nicht darauf an. Aber die Finanzdisziplin ist etwas ganz Wichtiges. Jeder kennt das vom persönlichen Haushalt. Niemand kann einfach nur Schulden machen, das holt einen ein. Wir versuchen in Bern zu machen, was jedes Kind mit dem Sackgeld schon lernen muss, nämlich sparsam umzugehen mit den Kohlen. Ganz einfach.

Es gibt doch einen Unterschied zwischen Privaten und Staaten – und da steht die Schweiz hervorragend da mit einer Schuldenquote über alle Staatsebenen von 27 Prozent, verglichen mit 100 Prozent im Euro-Raum. Warum pressiert es so?

Die EU ist weiss Gott kein gutes Beispiel beim Schuldenmachen! Wir haben einen Benchmark, den man nach uns richtet, nicht nach den Schlechten. Wir wollen überall besser sein, nicht nur im Sport. Wir orientieren uns nicht an den Letzten, wenn wir irgendwo mitmachen, sondern am Ersten. Wir müssen auch da zu den besten gehören.

Also vergleichen wir mit uns selber: Bei der Einführung der Schuldenbremse betrug die Bruttoschuldenquote des Bundes 26 Prozent – heute gut 14. Nicht so dramatisch?

Ja, aber wir führten die Schuldenbremse ein, weil wir zu viele Schulden hatten. Und bevor wir die Schulden steigerten, waren wir bei 10.6 Prozent, da sind wir noch lange nicht. Es hat keinen Wert, sich an schlechten Beispielen zu orientieren.

Das Gespräch führte Nathalie Christen.

Tagesschau, 08.06.2022, 18 Uhr ; 

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