Drei Monate sind seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine vergangen. Tausende Flüchtlinge sind seither in die Schweiz gekommen und viele haben Unterschlupf bei einer Gastfamilie gefunden. Nun zeigt sich: Immer mehr Gastfamilien stossen an ihre Grenzen. Dies spürt auch das Sozialamt des Kantons Baselland, das 1'500 Flüchtende bei privaten Gastgebern registriert hat.
Wir stellen fest, dass sich Erwartungen auf beiden Seiten oft nicht ganz erfüllen.
«Wir stellen fest, dass sich Erwartungen auf beiden Seiten oft nicht ganz erfüllen. Dies führt zu einer gewissen Ermüdung und Konflikten», sagt Lea Wirz vom Sozialamt Baselland. Während in den ersten Wochen nach Kriegsausbruch zahlreiche Anfragen kamen von Leuten, die Ukrainerinnen und Ukrainer bei sich aufnehmen wollten, kämen in den letzten Tagen vermehrt Telefone von Gastfamilien, die eine Folgelösung für ihre Gäste suchen. Der Aufwand und die Verpflichtung, die eine private Unterbringung mit sich bringt, seien teilweise unterschätzt worden, heisst es beim Sozialamt.
Dies stellt auch Halyna Rinner fest. Sie koordiniert in Basel-Stadt die Unterbringung von Flüchtenden aus der Ukraine. Rinner stammt selber ursprünglich aus der Ukraine und hat bei sich eine frühere Freundin und ihren Sohn aufgenommen. Nun mag sie nicht mehr. «Man braucht Privatsphäre, ist einfach müde und möchte sein Daheim einfach wiedermal für sich selber haben», sagt die 42-jährige, die vor 22 Jahren in die Schweiz kam.
Zum Teil hohen Lebensstandard gewohnt
Die fehlende Privatsphäre sei der häufigste Grund, dass sich Gastfamilien eine andere Lösung wünschen. Oft sei auch die Verständigung ein Problem, trotz Übersetzungsapps auf dem Mobiltelefon komme es immer wieder zu Missverständnissen. Und auf der anderen Seite sei auch für die Geflüchteten die Situation oft schwierig, sagt Rinner: «Viele hatten in der Ukraine eigene Häuser oder Wohnungen und waren sich einen hohen Lebensstandard gewohnt.»
Ganz überraschend komme diese Erkenntnis nicht, sagt Lea Wirz vom Sozialamt Baselland. Man habe damit gerechnet, dass langfristige Unterbringungen bei Privaten keine Lösung sein können. Aus diesem Grund seien jetzt die Gemeinden noch stärker gefragt. Auch im Hinblick auf die bevorstehenden Sommerferien müssten sie die Suche nach alternativen Unterbringungsmöglichkeiten intensivieren. Verschiedene Gemeinden hätten bereits reagiert. So setzt beispielsweise Pratteln ein altes Schulhaus instand, um für rund 100 Flüchtlinge Wohnraum zu schaffen.
Die Solidarität ist immer noch sehr gross.
Laut Halyna Rinner gäbe es in Basel-Stadt aber auch immer noch eine Warteliste mit Gastfamilien, die noch niemanden beherbergen und Flüchtende bei sich aufnehmen möchten. Viele Leute wollten noch immer helfen, stellt Rinner fest: «Die Solidarität ist immer noch sehr gross.»