Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Dieses Motto scheint sich die Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz (SBBK) zu Herzen genommen zu haben. Geht es nach ihr, sollen sich die Schülerinnen und Schüler in Zukunft bereits in der zweiten Oberstufe um eine Lehrstelle kümmern anstatt wie bisher in der dritten. Deshalb möchte sie, dass die Lehrstellen früher auf der staatlichen Lehrstellenplattform Lena veröffentlicht werden.
«Entrüstet über diese Entscheidung»
Bei den Sekundarlehrerinnen und Sekundarlehrern stösst dieser Vorschlag auf wenig Gegenliebe. Sie seien «entrüstet über diese Entscheidung», so Daniel Kachel vom Zürcher Sekundarlehrerverband.
«Die Vorverlegung bewirkt, dass der Druck auf die Schülerinnen und Schüler zunimmt, sich bereits zu einem Zeitpunkt für eine Lehrstelle zu bewerben, zu dem sie dazu noch gar nicht in der Lage sind», kritisiert er. Jugendliche würden jünger eingeschult als früher. Schon heute bringe sie die Lehrstellensuche deswegen an den Anschlag.
Schülerinnen und Schüler sind noch nicht bereit
Ähnlich äussert sich Samuel Zingg, der die Sekundarlehrer im Lehrer-Dachverband vertritt. Würden die Lehrstellen früher auf der Plattform publiziert, schade dies den Schülern, ist er überzeugt: «Die ganze wirtschaftliche Entwicklung geht dahin, dass man sie immer früher an die Lehre zu binden versucht, obwohl sie überhaupt noch nicht bereit sind, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und damit auswählen zu können, wohin sie wirklich gehen wollen.»
Man schneidet sich ins eigene Fleisch, indem man mehr Abbrüche hat und dadurch immer unzuverlässiger weiss, ob die Schüler die Lehre wirklich bis zum Schluss beim eigenen Betrieb machen.
Selbst den Lehrbetrieben würde es nichts nützen, Lehrverträge zu früh abzuschliessen, sondern ihnen im Gegenteil schaden: «Man schneidet sich ins eigene Fleisch, indem man mehr Abbrüche hat und dadurch immer unzuverlässiger weiss, ob die Schülerinnen und Schüler die Lehre wirklich bis zum Schluss beim eigenen Betrieb machen», so Zingg. Schon heute wechselt fast jede und jeder dritte Lernende den Ausbildungsbetrieb.
Private Stellenportale als Problem
Der Präsident der SBBK, Christophe Nydegger, hält wenig von dieser Kritik. Man passe sich lediglich den Wünschen der Lehrbetriebe an, verteidigt er sich: «Die Lehrstellensuche geht heute schnell vorwärts. Schüler beginnen schon in der zweiten Oberstufe, sich umzusehen.»
Ein Problem seien zudem die privaten Stellenportale. Sie publizierten gegen Geld Lehrstellen schon heute bis zu zwei Jahre vor Lehrstellenbeginn. Da müsse die kostenlose staatliche – und wichtigste – Lehrstellenplattform mithalten, glaubt Nydegger.
«Ein Eingriff in den ganzen Lehrplan»
Nun wollen sich die Lehrerverbände gegen die Vorverlegung der Lehrstellenpublikation wehren. Sie widerspreche dem Lehrplan 21, wendet Zingg ein: «Das ist ein Eingriff in den ganzen Lehrplan, in dem die Berufsorientierung über drei Jahre aufgebaut ist, damit man dann im dritten Jahr der Sekundarstufe in die Lehre übergehen kann.»
Gegessen ist die Geschichte also noch lange nicht.