Sarah, drei Jahre alt, und ihre Ergotherapeutin Priska Gabrielli machen das Angelspiel. Dann darf ich – die Journalistin – auch mitmachen. Das wäre im August noch nicht möglich gewesen, als das zierliche Mädchen mit der intensiven Frühförderung im GSR-Autismuszentrum angefangen hat. Priska Gabrielli, Ergotherapeutin und Bezugsperson von Sarah erzählt, dass das Kind zu Beginn der Förderung laut geschrien hat, wenn es etwas teilen musste.
Darum beginnt die intensive Frühintervention im Alter von zwei oder drei Jahren. Sie richtet sich an Kindern mit schwerem Autismus.
Autistische Kleinkinder können nicht mit Mimik oder Gestik ausdrücken, was sie meinen. Sie kennen das Konzept der Kommunikation von Senden und Empfangen gar nicht.
Die Kinder kämen sozusagen ohne Sprachkenntnisse, sagt die Leiterin des GSR-Autismuszentrums in Aesch, Bettina Tillmann: «Das Besondere ist, dass sie auch nicht non-verbal kompensieren können. Sie können nicht mit Mimik oder Gestik ausdrücken, was sie meinen. Sie kennen das Konzept der Kommunikation von Senden und Empfangen gar nicht.»
Andere Förderbedingungen schaffen
Autismus ist eine neurobiologische Besonderheit. Betroffene denken wahrscheinlich anders, nehmen die Umwelt anders wahr. Die einen ertragen Berührungen schlecht, andere sind von Alltagslärm überfordert. Sie brauchen fast eine Art Übersetzung ins Denken und Handeln von neurobiologisch-typischen Menschen. «Es reicht nicht, das Verhalten der Kinder anzupassen. Sie müssen lernen zu verstehen, was die anderen von ihnen möchten. Und die Umwelt muss sich darauf einstellen, dass diese Kinder andere Förderbedingungen brauchen», sagt Tillmann.
In einer guten Umgebung lernen
In der intensiven Frühintervention im Autismuszentrum in Aesch stehe die Beziehung im Fokus, erklärt Leiterin Bettina Tillmann. Die Kinder müssten zuerst lernen, sich selber zu beruhigen. Geht es ihnen gut, können sie eher lernen. «Kinder wollen lernen, Kinder sind neugierig. Wir müssen die Umweltfaktoren dafür schaffen, dass sie lustvoll lernen können.»
Jeder Schritt ist abgebildet
Bei Sarah scheint das erfolgreich zu gelingen. Mithilfe von Ergotherapeutin Priska Gabrielli schneidet die Dreijährige den Apfel in Stücke und sticht dann mit einer Guetzliform Sterne aus. Die sind fürs Znüni. Sarah turnt, ordnet Bilder, klebt Kugeln und Sterne auf einen Papier-Tannenbaum. Ob sie bastelt oder sich die Hände wäscht: Auf Kärtchen ist jeder Schritt, den sie machen muss, in einfachen Zeichnungen abgebildet.
Wir orientieren uns an den Stärken und Interessen eines Kindes.
Sarah müsse verstehen, wie etwas abläuft. «Wir orientieren uns an den Stärken und Interessen eines Kindes. Wir bereiten das so vor, dass es visuelle Informationen gibt und dass das Kind verstehen kann, worum es geht.»
Auch die Eltern sind stark eingebunden. Sie bestimmen die Ziele für ihr Kind mit. Zwei Jahre vor dem Kindergarten beginnt die intensive Frühintervention. Hier in Aesch kostet die Betreuung ein Kind pro Jahr 150'000 Franken. Kanton, Eltern und Spenden decken den Hauptanteil. Die IV zahlt im Rahmen eines Pilotprojektes pro Kind 45'000 Franken für zwei Jahre.
Das Pilotprojekt soll nun in einen definitiven Zustand überführt werden. Die eidgenössischen Räte entscheiden daher über eine Gesetzesänderung. Der Nationalrat war der Erstrat, die Vorlage muss noch in den Ständerat. Davon weiss Sarah nichts. Sie lernt ohne Druck. Und nach dem Angelspiel geht es endlich an den Znüni-Tisch.