- Der Bundesrat soll nach dem Willen des Nationalrats künftig eigenständige Schweizer Sanktionen verhängen dürfen.
- Die grosse Kammer hat sich mit 136 zu 53 Stimmen ohne Enthaltungen für eine entsprechende Änderung des Embargogesetzes ausgesprochen.
Die Debatte war geprägt vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Heute kann die Schweiz lediglich Sanktionen der UNO, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen. Gestützt auf das Embargogesetz werden diese durchgesetzt.
Eigenständige Sanktionen könnten sich neu gemäss dem Beschluss des Nationalrats gegen Personen und Entitäten, etwa Unternehmen, richten. Gründe für eine Verhängung sollen die Verletzung von Menschenrechten oder andere schwere Verstösse gegen internationales Recht sein.
Debatte um Neutralität
Zahlreiche Rednerinnen und Redner nutzten die Debatte für grundsätzliche Überlegungen zur Neutralität. Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL) bezeichnete im Namen ihrer Fraktion eigenständige Sanktionen als wichtiges Instrument, das die Handlungsfähigkeit des Bundesrats stärke.
Ebenfalls für eigenständige Schweizer Sanktionen setzte sich die SP und mit ihr Fabian Molina (ZH) ein: «Wenn internationales Recht gebrochen wird, hat die Staatengemeinschaft eine Verantwortung, den Regelbrecher dazu zu bringen, sich wieder an die Regeln zu halten. Sonst leben wir in der Anarchie.»
Gar kein Verständnis für das Anliegen zeigte die SVP, wie Roger Köppel (ZH) zum Ausruck brachte: «Wirtschaftssanktionen sind eine Waffe im Krieg. Mehr noch, sie sind eine Angriffswaffe, sie sind eine Hungerwaffe.» Sie seien deshalb nicht mit der Neutralität vereinbar. Und: «Sanktionen gegen Einzelpersonen sind Willkürwaffen, das sehen wir aktuell bei den sogenannten Oligarchen. Da wird in einem Fall sanktioniert, im anderen nicht.» Das sei eine Verwilderung des Rechtsstaats, und die Schweiz werde in Händel gegen die Grossmächte verstrickt.
Abkehr von der bisherigen Politik
Anlass für die Revision des Embargogesetzes war ursprünglich, dass die Landesregierung ein 2015 infolge der russischen Invasion der Krim erlassenes Verbot von Waffenimporten aus Russland und der Ukraine verlängern wollte. Die Botschaft ans Parlament verabschiedete sie bereits 2019.
Der Entwurf des Bundesrats sah lediglich vor, dass der Bundesrat übernommene Sanktionen auf weitere, davon nicht erfasste Staaten ausweiten können solle, wenn das Interesse des Landes dies erfordere.
Dieses Vorhaben fand im Nationalrat deutliche Unterstützung – ebenso, dass wie vom Ständerat im Juni 2021 beschlossen eine Ausweitung auch auf Personen und Unternehmen möglich sein soll.
Gegen Letzteres wehrte sich Wirtschaftsminister Guy Parmelin in der Nationalratsdebatte nicht – wohl aber gegen die Ermöglichung eigenständiger Sanktionen. «Dies wäre eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Politik», sagte er. Es sei zudem unklar, welche Kriterien für die Verhängung von Strafmassnahmen angewandt werden sollten. Nicht zuletzt drohten lange Rechtsstreitigkeiten.
Der Ständerat hatte eigenständige Sanktionen bei der ersten Beratung des Geschäfts abgelehnt. In der Zwischenzeit haben sich durch den Ukraine-Krieg die Vorzeichen allerdings grundsätzlich geändert. Die kleine Kammer muss sich nun nochmals mit der Sache befassen.