Die Reporterinnen Fiona Endres, Nicole Vögele und Anielle Peterhans haben sechs Monate lang zur Geheimdienstaffäre Cryptoleaks recherchiert, über 300 Stunden lang Gespräche geführt und 7600 Dokumente ausgewertet. Im Gespräch mit SRF gewähren sie einen Blick hinter die Kulissen der Recherche.
Fiona Endres, Nicole Vögele, wie seid ihr an diese CIA-Dokumente gekommen?
Fiona Endres: Diese Papiere der CIA sind dem ZDF zugespielt worden. Der Recherchejournalist Peter F. Müller kam auf die «Rundschau» zu, weil sie bereits in den 90er-Jahren darüber berichtet hat. Interessant ist, dass die «Rundschau» darum auch in diesen Papieren namentlich genannt wird.
Die Geheimdienstaffäre Cryptoleaks tönt wie ein Agenten-Thriller. Wann war für Euch klar, dass alles der Wahrheit entspricht?
Nicole Vögele: Das geschah, als wir anfingen, ehemalige Mitarbeiter der Firma zu treffen oder Angehörige von Mitarbeitern. Wir konnten zusammen in diese Dokumente schauen und Passagen lesen, in denen sie namentlich erwähnt werden. Wie diese Mitarbeiter zum Beispiel das Gerät XY bedient hätten, in welchem Jahr sie in ein bestimmtes Land gereist sind, wie ihre Verhandlungen mit den Kunden liefen usw. – dort hat es Klick gemacht. Diese Mitarbeiter bestätigten uns, dass es genau so war, wie es in den Dokumenten steht.
Bei diesem Thema plaudern die Leute nicht einfach drauf los. Was hat es gebraucht, um Informanten zum Reden zu bringen?
Fiona Endres: Es ist bei so einem Thema schwierig, es lag ein Mantel des Schweigens darüber. Viele Leute hatten dieses Kapitel abgeschlossen und nicht geglaubt, dass sie es wieder einmal öffnen müssen. Da war es wichtig, Vertrauen zu schaffen, uns mit den Leuten persönlich zu treffen und uns kennenzulernen. Wichtig war auch, den Leuten Quellenschutz zu gewährleisten – auch, um an Hintergrundinformationen zu kommen, die uns halfen, Dokumente und weitere Informationen zu verifizieren.
Was hat eure Recherche bei den Zeitzeugen ausgelöst?
Nicole Vögele: Es fühlte sich an, als ob ein Damm bricht. Ein Damm von Dingen, über die man nicht spricht oder die man selbst nicht verstanden hat. Wir haben zusammen eine Art Puzzle zusammengesetzt und mit Hilfe der Dokumente und ihren Aussagen viele Zusammenhänge verstanden. Am emotionalsten war, wenn Familienangehörige realisierten, dass sie zu Unrecht ihren Vater oder Ehemann mit der Zeit als Spinner abtaten, weil er ihnen sagte, dass er beobachtet und verfolgt werde, man aber nicht darüber sprechen dürfe. Mit diesen Recherchen einen Teil der Familienerklärung liefern zu dürfen, war berührend.
Offenbar wurden auch viele Gespräche abgeblockt – mit dem Kommentar, man solle die Sache auf sich beruhen lassen. Warum ist es wichtig, dass sie trotzdem ans Licht kommt?
Fiona Endres: Mehrmals sagten uns Leute, wir sollen das Kapitel geschlossen lassen, weil das für die Schweiz auf allen Ebenen schlecht wäre. Das war auch bei uns immer ein Thema. Für uns war aber auch klar: wenn solche Informationen an Journalisten gelangen, ist es unsere Pflicht, diese publik zu machen. Gerade in einer Demokratie hat die Schweizer Bevölkerung das Recht, solche Dinge zu erfahren. Es ist auch wichtig, dass die politischen Entscheidungsträger diese Informationen haben, um politische Entscheidungen korrekt treffen zu können.
Die Recherche ist nun veröffentlicht. War es das somit für eure Arbeit?
Nicole Vögele: Man muss sagen, dass wir bisher gefühlt nur einen Kernteil ausgewertet haben. Aber letztlich ist fast jeder Satz eine eigene Geschichte. Es fühlt sich an, als hätten wir eben erst begonnen. Also wir haben noch viel vor uns.
Das Gespräch führte Nik Meier.