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Die Journalstinnen Fiona Endres (Mitte) und Nicole Vögele (links) über die Recherchen zu Cryptoleaks
Aus Rundschau vom 12.02.2020.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 48 Sekunden.

Geheimdienstaffäre Cryptoleaks Wie seid ihr an die CIA-Dokumente gekommen?

Die Reporterinnen Fiona Endres, Nicole Vögele und Anielle Peterhans haben sechs Monate lang zur Geheimdienstaffäre Cryptoleaks recherchiert, über 300 Stunden lang Gespräche geführt und 7600 Dokumente ausgewertet. Im Gespräch mit SRF gewähren sie einen Blick hinter die Kulissen der Recherche.

Nicole Vögele

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2002 absolvierte sie den Diplomlehrgang an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern. 2002-2007 war sie Juniorreporterin bei «CASH-TV» und von 2007 bis 2015 Redaktorin bei 10vor10. In dieser Zeit realisierte sich auch einige Projekte für DOK und Reporter. Seit 2015 ist sie freischaffend für die Rundschau tätig.

Fiona Endres

Redaktorin Rundschau

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Die Recherchejournalistin hat ihr Bachelorstudium in Medien- und Kommunikationswissenschaften und Zeitgeschichte an der Universität Freiburg absolviert und einen Master in Geschichte abgeschlossen. Zusammen mit dem Volontariat bei der Sonntags Zeitung schloss sie die Diplomausbildung Journalismus am MAZ ab. Seit 2017 arbeitet sie für die Rundschau.

Fiona Endres, Nicole Vögele, wie seid ihr an diese CIA-Dokumente gekommen?

Fiona Endres: Diese Papiere der CIA sind dem ZDF zugespielt worden. Der Recherchejournalist Peter F. Müller kam auf die «Rundschau» zu, weil sie bereits in den 90er-Jahren darüber berichtet hat. Interessant ist, dass die «Rundschau» darum auch in diesen Papieren namentlich genannt wird.

Deshalb ist #cryptoleaks keine Bagatelle

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#Cryptoleaks beweist erstmals, dass tatsächlich Geräte der Zuger Firma Crypto AG manipuliert worden sind. Aber nicht nur:

  • Erstmals zeigen Dokumente, dass die Nachrichtendienste CIA und BND (Deutschland) die Schweizer Firma Crypto AG in Besitz genommen hatten, um von der Schweiz aus Drittstaaten auszuspionieren.
  • Erstmals liegen auch Beweise zur Fülle der betroffenen Ereignisse vor (u.a. Falklandkrieg, Iran/Irak-Krieg, Putsch in Chile).
  • Erstmals gibt es Belege, die zeigen, dass Vertreter des Schweizer Geheimdienstes eingeweiht waren – bisherige Untersuchungen kamen zu einem anderen Ergebnis.

Aufgrund der Recherche der «Rundschau» hat der Bundesrat reagiert: Er sisitierte die Ausfuhrbewilligung von Geräten der Firma Crypto International AG (eine der zwei Nachfolgefirmen der Crypto AG) umgehend und veranlasste eine Untersuchung der Affäre durch Niklaus Oberholzer, einen ehemaligen Bundesrichter.

Ebenfalls als Folge von #Cryptoleaks fordern die linken Parteien SP und Grüne nun eine parlamentarische Untersuchungskommission PUK. Ausserdem ist auch Petra Gössi, die Parteipräsidentin der FDP, gegenüber einer PUK nicht abgeneigt. Jetzt stellt sich die Frage, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundes die Neutralität der Schweiz verletzt haben. (perm)

Die Geheimdienstaffäre Cryptoleaks tönt wie ein Agenten-Thriller. Wann war für Euch klar, dass alles der Wahrheit entspricht?

Nicole Vögele: Das geschah, als wir anfingen, ehemalige Mitarbeiter der Firma zu treffen oder Angehörige von Mitarbeitern. Wir konnten zusammen in diese Dokumente schauen und Passagen lesen, in denen sie namentlich erwähnt werden. Wie diese Mitarbeiter zum Beispiel das Gerät XY bedient hätten, in welchem Jahr sie in ein bestimmtes Land gereist sind, wie ihre Verhandlungen mit den Kunden liefen usw. – dort hat es Klick gemacht. Diese Mitarbeiter bestätigten uns, dass es genau so war, wie es in den Dokumenten steht.

Bei diesem Thema plaudern die Leute nicht einfach drauf los. Was hat es gebraucht, um Informanten zum Reden zu bringen?

Fiona Endres: Es ist bei so einem Thema schwierig, es lag ein Mantel des Schweigens darüber. Viele Leute hatten dieses Kapitel abgeschlossen und nicht geglaubt, dass sie es wieder einmal öffnen müssen. Da war es wichtig, Vertrauen zu schaffen, uns mit den Leuten persönlich zu treffen und uns kennenzulernen. Wichtig war auch, den Leuten Quellenschutz zu gewährleisten – auch, um an Hintergrundinformationen zu kommen, die uns halfen, Dokumente und weitere Informationen zu verifizieren.

Was hat eure Recherche bei den Zeitzeugen ausgelöst?

Nicole Vögele: Es fühlte sich an, als ob ein Damm bricht. Ein Damm von Dingen, über die man nicht spricht oder die man selbst nicht verstanden hat. Wir haben zusammen eine Art Puzzle zusammengesetzt und mit Hilfe der Dokumente und ihren Aussagen viele Zusammenhänge verstanden. Am emotionalsten war, wenn Familienangehörige realisierten, dass sie zu Unrecht ihren Vater oder Ehemann mit der Zeit als Spinner abtaten, weil er ihnen sagte, dass er beobachtet und verfolgt werde, man aber nicht darüber sprechen dürfe. Mit diesen Recherchen einen Teil der Familienerklärung liefern zu dürfen, war berührend.

Offenbar wurden auch viele Gespräche abgeblockt – mit dem Kommentar, man solle die Sache auf sich beruhen lassen. Warum ist es wichtig, dass sie trotzdem ans Licht kommt?

Fiona Endres: Mehrmals sagten uns Leute, wir sollen das Kapitel geschlossen lassen, weil das für die Schweiz auf allen Ebenen schlecht wäre. Das war auch bei uns immer ein Thema. Für uns war aber auch klar: wenn solche Informationen an Journalisten gelangen, ist es unsere Pflicht, diese publik zu machen. Gerade in einer Demokratie hat die Schweizer Bevölkerung das Recht, solche Dinge zu erfahren. Es ist auch wichtig, dass die politischen Entscheidungsträger diese Informationen haben, um politische Entscheidungen korrekt treffen zu können.

Cryptoleaks kurz erklärt

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  • Über Jahrzehnte wurden über hundert Staaten von CIA und BND ausspioniert.
  • Hunderttausende geheime Nachrichten zwischen Regierungsstellen, Behörden, Botschaften oder militärischen Stellen wurden systematisch abgefangen.
  • Wie war das möglich? Die über 100 Regierungen kauften Verschlüsselungsgeräte der ehemaligen Zuger Firma Crypto AG.
  • Diese Chiffriergeräte waren so manipuliert, dass die beiden Geheimdienste alles abhören konnten.
  • Denn: Neu geleakte Geheimdienst-Dossiers belegen, dass die Crypto AG 1970 von der CIA und dem BND gekauft worden war – verschleiert über eine Stiftung in Liechtenstein. Das zeigen Recherchen der «Rundschau», dem ZDF und der «Washington Post».
  • Mit Hilfe der abgehörten, vermeintlich verschlüsselten Kommunikation etlicher Staaten wurde die Weltpolitik beeinflusst, so z.B. die Camp-David-Verhandlungen 1979.
  • Aufgrund der Recherchen leitete der Bundesrat nun eine Untersuchung ein.
  • Das Wirtschaftsdepartement sistierte die Generalausfuhrbewilligung für Crypto-Geräte.

Die Recherche ist nun veröffentlicht. War es das somit für eure Arbeit?

Nicole Vögele: Man muss sagen, dass wir bisher gefühlt nur einen Kernteil ausgewertet haben. Aber letztlich ist fast jeder Satz eine eigene Geschichte. Es fühlt sich an, als hätten wir eben erst begonnen. Also wir haben noch viel vor uns.

Das Gespräch führte Nik Meier.

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