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Gerichtsprozess Lenzburg Obsessive Eifersucht: War Tötung der Ehefrau Mord oder Totschlag?

  • Ein 49-jähriger Mann muss sich am Donnerstag wegen Mordes vor dem Bezirksgericht Lenzburg (AG) verantworten.
  • Er soll 2021 in Schafisheim (AG) seiner Ehefrau so schwere Verletzungen zugefügt haben, dass sie einige Tage später im Spital verstarb.
  • Die drei Kinder des Paares waren während der Tat im Haus.
  • Die Staatsanwaltschaft fordert 16 Jahre Gefängnis, die Verteidigung höchstens 5 Jahre.

Der Mann hatte seine 44-jährige Frau in der Nacht auf den 12. März 2021 in Schafisheim mehrere Minuten lang gewürgt. Er habe verhindert, dass ihr jemand im abgeschlossenen Schlafzimmer helfen konnte, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Frau verstarb wenige Tage nach der Tat auf der Intensivstation, steht in der Anklageschrift.

Kapo Schafisheim
Legende: Das Bezirksgericht Lenzburg verhandelt den Fall von besonders schwerer häuslicher Gewalt in den Räumen der Kantonspolizei Aargau in Schafisheim. Keystone/Ennio Leanza

Über Jahre habe der Mann seine Frau stark kontrolliert. Ab Ende 2020 hat sich das Ganze zugespitzt. Der Mann hat via Smartphone täglich den aktuellen Standort der Frau kontrolliert. Er verbot ihr, sich zu parfümieren und rief sie mehrmals am Tag an. Er befürchtete, sie könnte ihn betrügen.

Überwachungsgeräte und Misstrauen

Der Mann hatte im Haus und im Auto der Frau Ton- und Bildaufnahmegeräte installiert. Am Fenster des Schlafzimmers installierte er Schlösser, um Liebhaber fernzuhalten. Auch bezeichnete er seine Frau in Whatsapp-Mitteilungen als «Schlampe, dreckig, schamlos und untreu».

Anfang März 2021 zog die Frau zu ihren Eltern nach Wohlen. Als sie aber mit Corona infiziert wurde, zog sie am 11. März zurück ins Haus in Schafisheim – sie wollte ihre Eltern nicht anstecken. Der Mann drängte sie nach der Rückkehr zu einer gynäkologischen Untersuchung, um zu beweisen, dass sie nicht fremdgegangen war. Der Spermaabstrich war negativ.

Ehefrau mit Unterarm gewürgt

Die Kinder wollten am Abend der Rückkehr der Mutter im selben Zimmer wie sie schlafen, weil sie Angst um die Mutter hatten. Der Mann war aber nicht einverstanden. Die Frau willigte zur Vermeidung eines Streits ein, im Elternschlafzimmer zu schlafen.

Als sie keinen Sex mit ihrem Ehemann haben wollte, drückte er sie aufs Bett und nahm sie in den Unterarmwürgegriff und würgte sie, bis sie bewusstlos liegenblieb.

Kerze
Legende: Die Frau verstarb trotz Reanimation einige Tage später im Spital. Keystone/Triso Gentsch (Symbolbild)

Der Aufschrei der Mutter alarmierte die Kinder. Diese konnten aber nicht ins Schlafzimmer, weil der Mann die Tür verschlossen hatte. Sie klopften und riefen. «Ich habe es/sie gleich», habe der Mann geantwortet. Eines der Kinder alarmierte die Polizei.

Als diese vor Ort war, öffnete der Vater die Tür. Zu diesem Zeitpunkt war das Gehirn der Frau zu lange mit Sauerstoff unterversorgt; trotz Reanimation verstarb sie ein paar Tage später im Spital.

Skrupellos oder Affekt?

Die Tötung der Ehefrau sei besonders skrupellos, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Strangulation, das Nichtleisten und Verunmöglichen von Nothilfe sei besonders niederträchtig. Die Eifersucht sei unbegründet und obsessiv gewesen, er blind vor Wut und Eifersucht. Das sei Mord, deshalb brauche es eine Strafe von 16 Jahren Gefängnis, begleitet von einer ambulanten therapeutischen Massnahme.

Brief der Kinder

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Während des Plädoyers des Opferanwalts wurde ein Brief der Kinder vorgelesen. Sie haben sich kurzfristig vom Prozess abgemeldet.

Im Brief an den Vater schreiben die drei Kinder unter anderem: «Was die Tat mit uns gemacht hat, ist unbeschreiblich, aber was unserer Mutter angetan wurde, wird keine Strafe der Welt wiedergutmachen. (...) In unseren Augen bist du kein Vater, sondern ein kaltblütiger Mörder. Egal, wie dich ein Psychologe oder das Gericht einstuft, wir waren dabei und haben dich angefleht, ihr nichts anzutun (...)»

Er habe die Kontrolle verloren, sagte der Mann vor Gericht. Es tue ihm leid für die Kinder. Ein Gutachter diagnostizierte beim Täter einen schweren Eifersuchtswahn und eine Depression. Der Verteidiger plädiert auf Totschlag statt Mord und verlangt höchstens fünf Jahre Freiheitsstrafe. Er sieht keinen Vorsatz und spricht von einer Affekthandlung.

Der Beschuldigte ist im vorzeitigen Strafvollzug. Es gilt die Unschuldsvermutung. Das Urteil wird am Freitag erwartet.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 23.5.2024, 12:03 Uhr ; 

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