Nach einem Vierteljahrhundert kommt wieder einmal eine AHV-Reform durch – das aber nur knapp. Es ist ein Resultat, das in beide Richtungen hätte kippen können. «Dies ist Ausdruck einer Spaltung, einer Polarisierung der politischen Landschaft», sagt Rafael von Matt, SRF-Inlandredaktor. Denn es zeigen sich sehr deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und auch zwischen den Sprachregionen.
Insgesamt stehen sich bei vielen Abstimmungen zwei Lager gegenüber, die fast gleich gross sind. Der breite Konsens fehlt. Das macht Reformen umso schwieriger. Denn für diese braucht es breit abgestützte, tragfähige Lösungen. Kompromisse zwischen links und rechts scheitern oft an einzelnen Details. «Das Ziel der Bürgerlichen müsste sein, das linke Lager mit an Bord zu holen. Doch jüngst ist zu beobachten, dass die beiden Seiten kaum aufeinander zugegangen sind», so von Matt.
Abbau oder Aufbau?
Schon bald diskutiert das Parlament über zwei Initiativen zur AHV: die Renteninitiative der Jungfreisinnigen und die Initiative des Gewerkschaftsbunds für eine 13. AHV-Rente. Die Renteninitiative will das Rentenalter erhöhen. Zunächst auf 66 Jahre, später noch weiter, gekoppelt an die steigende Lebenserwartung. Eine Abbauvorlage.
Bei der Initiative des Gewerkschaftsbunds hingegen handelt es sich um eine Ausbauvorlage. Die Initiative für eine 13. AHV-Rente will allen Rentnerinnen und Rentnern künftig eine 13. Monatsrente gewähren.
Diese beiden Vorschläge seien gute Beispiele dafür, wie die Parteien mit dem Thema umgehen, sagt Inlandredaktor von Matt. «Sie profilieren sich mit kühnen, aber etwas einseitigen Vorschlägen, statt den breiten Konsens zu suchen.» Und solche pointierten Initiativen dürften an der Urne einen schweren Stand haben. Ob sie die AHV daher weiterbringen können, ist laut von Matt fraglich.
Reformstau bei der beruflichen Vorsorge
Und auch bei der zweiten Säule sind die Aussichten auf einen Konsens nicht rosig. Nach der Abstimmung haben Politikerinnen und Politiker wiederholt auf die berufliche Vorsorge verwiesen und den Handlungsbedarf hervorgehoben. Doch: «Dort droht dieser Reformbedarf zu einem Reformstau zu werden», vermutet Rafael von Matt.
Denn eigentlich spart bei der Pensionskasse jede und jeder Einzelne für das eigene Rentenkonto. Doch seit Jahren müssen viele Pensionskassen die Einzahlungen der Erwerbstätigen anzapfen, um die Renten der Pensionierten zu bezahlen. Das ist systemfremd. Ausserdem benachteiligt das aktuelle System Teilzeitangestellte.
Bisher ist es dem Parlament nicht gelungen, da eine tragfähige Lösung zu finden. Doch immerhin signalisierten die bürgerlichen Parteien im Nachgang der Abstimmung, dass sie die Anliegen der Teilzeitangestellten aufnehmen wollen. Die BVG-Reform ist die nächste Nagelprobe, die das Parlament bestehen muss. Denn was dieser Abstimmungssonntag gezeigt hat: Nur ausgewogene Vorlagen haben Chancen beim Stimmvolk.