Der Koch klingelt zum Essen. Die türkische Linsensuppe wärmt an diesem nasskalten Abend. Rund 30 Leute sind beim Container des Vereins Medina auf der Berner Schützenmatte vor dem autonomen Berner Kulturzentrum Reitschule versammelt.
Zweimal die Woche öffnet der Container, ist eine Art Anlaufstelle mit Essensangebot. Koch Vedat hilft freiwillig mit, und sagt: «Manchmal ist es gefährlich hier, aber nicht immer. Gewisse Leute haben Messer dabei.»
Ende Dezember wurde einem jungen Mann vor der Reitschule ein Finger abgeschnitten. Es soll sich um einen Streit unter Drogendealern aus Nordafrika gehandelt haben. Kurz darauf stellte die Reitschule ihren Betrieb für zwei Wochen ein.
Während die Suppe kocht, bieten Dealer Haschisch an
An diesem Abend bleibt es ruhig. Die Reitschule liegt im Dunkeln. Zwei private Sicherheitsleute im Auftrag der Stadt patrouillieren. Junge Männer bieten Haschisch feil. Einmal fährt ein Polizeiauto über die Schützenmatte.
Über diesen Ort streitet Bern seit Jahren. Michèle Stauffer arbeitet beim Container, sie erlebt die Schütz als ehrlichen Ort: «Weil man hier Sachen sieht, die gerne verdrängt werden. Hier ist der Rand sichtbarer.»
Auf der Schütz sieht man Sachen, die gerne verdrängt werden. Hier ist der Rand sichtbarer.
Menschen am Rand der Gesellschaft essen hier. Obdachlose, Asylbewerber, Abgewiesene, doch auch Drogendealer. Anfangs fühlte sich die Studentin nicht immer wohl. «Doch je mehr man die Leute kennt, desto mehr sind es Menschen und nicht einfach ein Klischee einer bestimmten Gruppe.»
Für Stauffer ist klar: Die Gewalt ist schlussendlich ein Symptom der Not. Die Reitschule schreibt: für die Probleme auf der Schützenmatte seien eine repressive Asylpolitik, eine gescheiterte Drogenpolitik und der Abbau sozialer Infrastruktur verantwortlich.
Hilfe für Asylsuchende
Ein Somalier wärmt sich am Feuer. Er sei hier, um etwas Abwechslung zur Asylunterkunft zu haben, sich zu entspannen. «Mühsam ist nur, von der Polizei stets verdächtigt zu werden, Drogen zu verkaufen», erklärt er. Ein anderer Migrant ist an diesem Abend zum Container gekommen, weil er Probleme mit seinem Aufenthaltsstatus hat. Das Kollektiv von Medina versucht ihm zu helfen.
Der Verein Medina unterstützt niederschwellig bei Problemen mit Behörden, Wohnungs- oder Jobsuche. Vereinsgründer Livio Martina erklärt, man bleibe, auch wenn die Gewalt etwas zugenommen habe: «Erstens wollen wir allen den Zugang zur Nahrung garantieren. Zweitens ist die Gewalt nicht neu. Im Moment gibt es einen Peak, das wird wieder abflachen.» Der Aktivist wünscht sich mehr Grundlagenforschung zu den Ursachen von Gewalt und Elend, die sich auf der Schützenmatte manifestieren.
Bald ist der Suppentopf leer. An diesem Abend ist der einzige Brennpunkt auf der Schützenmatte bei der Feuerschale.