Zum Inhalt springen
Audio
Femizide in der Schweiz: Plakat an einer Demonstration 2019
Aus SRF 4 News aktuell vom 30.10.2023. Bild: KEYSTONE/Michael Buholzer/Archiv
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 37 Sekunden.

Gewalt gegen Frauen Unbeachtete Femizide an Frauen über 70

Überdurchschnittlich viele Seniorinnen werden von ihren Männern getötet, zeigt die Kriminalstatistik. Doch diese Tötungen kommen kaum an die Öffentlichkeit.

70 Prozent der Frauen, die in der Schweiz getötet werden, werden Opfer ihres aktuellen oder früheren Partners oder ihres Vaters. Dies zeigt die Schweizer Kriminalstatistik von diesem Sommer. Bei jüngeren Frauen, die von ihren Männern getötet werden, geschehe das Delikt oft in Trennungssituationen, sagt die Kriminologin Nora Markwalder, Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen. Auch gebe es in diesen Fällen oft eine Vorgeschichte von häuslicher Gewalt, weswegen sich die Frau vom Mann trennt.

Bei älteren Opfern ist die Sachlage etwas anders, wie das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS festgestellt hat. Anlässlich zweier Morde an Frauen über 70 Jahre in diesem Sommer hat RTS genauer nachgeschaut. Basierend auf den Zahlen der Statistiken der letzten zehn Jahre sind 20.1 Prozent der Opfer eines häuslichen tödlichen Gewaltdelikts Seniorinnen über 70 Jahre. Sie repräsentieren aber nur 16 Prozent der Frauen in der Schweiz. Das heisst, sie werden durchschnittlich häufiger Opfer eines Femizids als jüngere Frauen.

Mord aus «Mitleid»

Bei Femiziden an Frauen über 70 Jahre litten die Opfer oft an einer Erkrankung, sei es an Demenz oder an einem psychischen Leiden, sagt die Fachfrau. «Es sind vielfach Konstellationen, in denen das Opfer ein Gebrechen hat und aus Mitleid oder Überforderung von seinem Mann getötet wird. In einem Drittel dieser Fälle begeht der Täter anschliessend Suizid.» Genau deshalb werden diese Fälle oft nicht bekannt. Da gegen Tote nicht ermittelt werden kann, werden die Ermittlungen jeweils eingestellt, es kann niemand mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Es gibt dann kein Gerichtsverfahren mit einem öffentlichen Urteil.

Dass Fälle von jüngeren Femiziden häufiger öffentlich thematisiert werden, liege zusätzlich auch daran, dass, je jünger ein Opfer ist, umso mehr Lebenszeit betroffen ist, analysiert Cornelia Hummel, assoziierte Soziologieprofessorin der Universität Genf. Je jünger ein Opfer, desto mehr interessiere sich die Öffentlichkeit dafür.

Eine Frau mit grauen Haaren verdeckt ihr Gesicht mit der Hand
Legende: Tötungen an älteren Frauen gelangen oft gar nicht ins Bewusstsein der Bevölkerung. Keystone/Christof Schürpf/Symbolbild

Es gebe auch die Fälle, in denen ältere Frauen von ihren Söhnen getötet werden. Das ist bei jüngeren Frauen, die noch jüngere Söhne haben, seltener. Wenn Söhne ihre Mutter umbringen, liegen oft langjährige Streitigkeiten oder Erbstreitigkeiten vor. In einem Fünftel der Fälle sind es andere Familienmitglieder, die eine Seniorin über 70 Jahre töten, wie die Kriminalstatistik belegt.

Manche Frauen werden nicht erreicht

Es gibt zwar diverse Möglichkeiten auch für Seniorinnen, sich bei häuslicher Gewalt Hilfe zu holen, sei es bei Anlaufstellen, in Arztpraxen oder bei der Polizei. Es könne aber für Betroffene schwierig sein, sich an jemanden zu wenden, sagt Markwalder. «Das ist oft der familiären Situation geschuldet, gerade wenn es sich um kranke oder bettlägerige Frauen handelt.» Den Präventionsansatz sehe sie aber so oder so bei der Täterschaft, so die Expertin. Es bräuchte wohl ein besseres Auffangnetz für Männer mit psychischen Problemen, die von der Pflege ihrer Frau überfordert seien.

SRF 4 News, 30.10.2023, 06:46 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel